Huff, Tanya
„Es ist nicht nötig, derart ins Detail zu gehen."
„Tut mir leid!" Hutchinson senior wurde rot. „Ich
dachte, Sie wollten alles ganz genau wissen."
„Ja, aber
..."
„Mr. Hutchinson?" Vicki beugte sich
vor. „Das Wort, das Sie als letztes genannt haben, dieser
Trokar, was ist das?"
„Ein Trokar ist eine lange, hohle Stahlröhre
mit einer Spitze, einer recht scharfen Spitze. Wir verwenden den
Trokar, um die Köperflüssig keiten abzusaugen und eine sehr
adstringierende, konservierende Flüssig keit in die Öffnung zu
injizieren."
„Davon hat ihr
Neffe nichts erwähnt."
Der
Alte lächelte. „Wahrscheinlich hat er sich knapper ausgedrückt. Ich plaudere vor mich hin, wenn man mich nicht
stoppt."
Vicki hielt den Blick unverwandt auf den
Bestattungsunternehmer ge richtet. „Ihr Neffe sagte, er habe
gerade das Dichtungsmittel für die Schnitte in die Halsschlagader gegeben, als
er nach oben gerufen worden ist."
Hutchinson schüttelte den Kopf. „Das ist nicht möglich.
Als ich nach unten kam, um die Arbeit zu beenden - denn
die junge Frau im Büro
bestand darauf, David sprechen
zu wollen —, als ich also nach unten kam, befand sich der Trokar schon im Unterleib und verschloß
den Einstich."
Im Büro herrschte das Schweigen, das entsteht, wenn jeder
für sich Schlüsse aus eben Gehörtem zieht.
„Ich glaube", sagte Fergusson langsam,
„wir sollten uns lieber noch ein mal mit David
unterhalten."
David Hutchinson wiederholte das, was er vorher schon zu Protokoll
gegeben hatte.
Hutchinson senior wirkte verwirrt. „Aber wenn du die
Leibeshöhle nicht abgesaugt hast und ich das auch nicht
getan habe: Wer hat es denn dann getan?"
Mr. Hutchinson junior breitete hilflos
die Hände aus: „Chen?"
„Unsinn! Er ist
Praktikant. Er weiß gar nicht, wie das geht."
„Sprechen Sie von
Tom Chen?"
Beide nickten, dann erklärte der jüngere: „Wenn jemand
sich zum Be stattungsunternehmer ausbilden lassen will, muß er zuerst
einmal ein vierwöchiges Praktikum in einem Bestattungsinstitut
absolvieren. Unser Beruf eignet sich nicht für jedermann. Tom
ist zweieinhalb Wochen bei uns. Er war dabei, als ich die Leiche vorbereitete. Er hat
geholfen, ein, zwei Fragen
gestellt..."
„Er war da, als ich nach unten kam, um die Arbeit zu
beenden, und meiner Meinung nach hat er mir deutlich zu
verstehen gegeben, du wärst mit dem Absaugen fertig gewesen,
David!"
„Aber das war ich nicht."
„Bist du ganz
sicher?"
„Ja!" Das Wort klang nicht mehr nach der ruhigen
Zurückhaltung, die den beiden anerzogen worden war, und als die
beiden sich jetzt dem Poli zeibeamten zuwendeten, der ihnen am Schreibtisch
gegenübersaß, ge schah das mit absolut
identischen Mienen der Verzweiflung.
„Wo ist Tom Chen
jetzt?"
„Nicht hier. Er hat am Wochenende gearbeitet",
erklärte Mr. Hutchin son senior, und es gelang ihm, sich zu
fassen. „Ich hatte nichts einzuwen den, als er mich um einen freien Tag
bat."
„Aha. Jamie
..."
Fergussons Partner
nickte und ging leise aus dem Zimmer.
„Wo geht er
hin?"
„Er versucht herauszufinden, ob wir uns mit
Chen unterhalten kön nen." Fergusson lehnte sich zurück und
klopfte mit dem Kuli sachte ge gen die Spiralbindung seines
Notizbuchs. „Wir wollen die Frage, wer nun abgesaugt hat, erst einmal übergehen. Erzählen
Sie mir, was dann ge schah."
„Das war es eigentlich auch schon. Wir haben
den Leichnam angekleidet, ein wenig geschminkt, nur für alle
Fälle sozusagen, ihn in den Sarg gelegt und im Vorbereitungsraum
gelassen. Über Nacht. Heute wurde der Sarg nach oben in die
Kapelle gebracht."
„Ohne vorher den Inhalt zu
überprüfen?"
„Mit dem Inhalt ist noch nie etwas schiefgelaufen",
erklärte Hutchinson junior ein wenig abwehrend.
„Es muß in der Nacht passiert sein." Hutchinson
senior schüttelte müde den Kopf. „Sobald der Sarg oben ist,
kann niemand mehr ungese hen den Leichnam entfernen."
„Nichts weist auf einen Einbruch hin", überlegte
Fergusson. „Wer hat Schlüssel zu Ihren Räumen?"
„Wir natürlich und Christy Aloman, die sich um all
unseren Papierkram kümmert und schon seit Jahren bei der Firma
ist, und dann gibt es natürlich ein Ersatzschlüsselbund
hier in der Schublade. Merkwürdig!" Der ältere Herr öffnete
eine zweite Schublade, dann eine dritte. „Hier ist er!"
„Nicht da, wo Sie
sie sonst aufbewahren?"
„Nein. Sie denken doch nicht, jemand hat sie genommen
und Kopien anfertigen lassen?"
Fergusson sah Vicki und Celluci an, die in
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