Huff, Tanya
den Brettern rankten Pilze empor. Vicki rang
nach Luft, sammelte alle Kraft und schlug mit den Fäusten auf dieses letzte Hindernis
ein.
Schon splitterte und barst das Holz, und Vicki konnte
die erste Planke pack en. Sie zerrte mit ihrem ganzen Gewicht
daran, und das Brett löste sich mit einem saugenden
Geräusch, gab den Blick auf eine Reihe graublonder Lock en
frei - und sah sie da nicht auch ein kleines Stück Schulter?
Wie hatte sie
vergessen können, .wo sie ihre Mutter gelassen hatte?
Sie bat um Vergebung und machte sich hektisch an den
verbleibenden Fußbodenbrettern zu schaffen ...
„Vicki! Vicki, wach auf, es ist nur ein Traum!"
Den ersten Schrei konnte Vicki nicht verhindern, aber den
zweiten schnappte sie sich und zwang ihn mit Gewalt, dahin
zurückzukehren, woher er gekommen war. Der Teil ihres
Verstandes, der voll bei Bewußt sein war, klammerte sich
an die beruhigenden Worte, die irgend jemand wieder und wieder in ihr Haar
hinein murmelte. Ihr Unterbewußtsein jedoch wartete darauf, daß ein weiteres
Fußbodenbrett wich. Vickis Hände schienen ein Eigenleben
zu führen: Ihre Finger klammerten sich mit aller Macht an die
Schulter und den Arm, der sich schützend um sie gelegt hatte.
„Schon gut. Ich bin ja da. Es
war nur ein Traum. Ich halte dich fest..." Henry wußte, daß die Worte weniger wichtig waren als der
Ton, in dem sie gesprochen wurden und bemühte sich, das Auf und Ab seiner Stimme
dem wilden Pochen von Vickis Herzen anzupassen und es langsam, aber sicher zu beruhigen.
„Henry?"
„Ich bin
hier."
Vicki
kämpfte gegen die Panik an und rang darum, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen. Endlich gelang es ihr.
Einatmen, ausatmen, und noch einmal.
Henry meinte hören zu können, wie Vicki die Barrieren um
sich her um wieder aufrichtete; sie schob seinen Arm fort und hob
anklagend das Kinn.
„Alles ." Nur ein Traum. Du führst dich auf wie
ein Kind. „Wirklich. Es ist alles in Ordnung!" Die
Finsternis schob Gegenstände durcheinander, verrückte Möbel, die seit
15 Jahren nicht verrückt worden waren. Wo war der Nachttisch? „Mach
das Licht an", befahl sie und mußte sich zusammennehmen, um sich die
aufsteigende Panik nicht anmerken zu las sen. „Ich brauche meine
Brille."
Etwas Kaltes berührte ihre Hand, und dankbar schlossen
sich ihre Fin ger um das schwere Plastikgestell. Eine zweite
Berührung half ihr, die Bril le aufzusetzen, und sofort füllte
sich das Zimmer mit strahlender Hellig keit. Vicki mußte
blinzeln, wandte sich zum Lichtschalter und erblickte dort Mike, die Stirn in
besorgte Falten gelegt.
„Mein Gott!
Gleich beide."
„Ich fürchte, ja." Henry verlagerte sein Gewicht
auf der Bettkante und fragte mit wenig Hoffnung in der Stimme: „Willst du
darüber reden?"
Vicki verzog den Mund. „Wohl kaum." Darüber reden
würde heißen, darüber nachzudenken. Darüber nachzudenken,
was sie hätte finden können, was sie hätte sehen können, wenn es
ihr gelungen wäre, ein einziges weiteres Brett zu entfernen ...
„Celluci? Fergusson hier. Die medizinische Hochschule
hat drei Chens. Einer von denen ist ein Tom - Thomas Albert
Chen. Dreimal dürfen Sie raten: Der Junge hat ein Alibi, nicht nur für
die betreffende Nacht, sondern
gleich für die ganzen
zweieinhalb Wochen, in denen unser Mann da im Leic henschauhaus gearbeitet hat. Pech."
Mike, der sich den Telefonhörer zwischen
Schulter und Ohr geklemmt hatte, spülte einen Happen Rührei mit einem Schluck
Kaffees hinunter. G enügend Feingefühl für
Sarkasmus hätte er Fergusson gar nicht zuget raut, aber offenbar hatte er sich da geirrt. „Harte Sache. Gehen Sie
trotz dem mit einem Bild bei den
Hutchinsons vorbei, nur für alle Fälle?"
„Geben Sie auf, Mike, und hören Sie auf, meine wertvolle
Zeit zu vergeuden. Wir wissen beide, daß wir gar nicht nach einem Tom Chen su chen."
Statt einer Antwort knurrte Celluci nur unverbindlich, und Fer gusson
seufzte, ein Geräusch, das Bände zu sprechen schien, die sich alle a uf
einen Punkt bringen ließen: Lassen Sie mich bloß in Ruhe, Mann! „Sagen
Sie Ex-Detective Nelson, die Sache mit ihrer Mutter täte mir sehr leid,
daß ich aber verdammt genau weiß, was ich zu tun habe. Ich melde mich,
wenn etwas vorliegt, das man wirklich als Information bezeichnen kann."
Mike schaffte es, den Hörer auf die Gabel zu legen und
sich eine weitere Gabel Rührei in den Mund zu schaufeln, ehe er Vickis
vorwurfsvollem Blick unterlag und die Unterhaltung für
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