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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 03 - Blutlinien
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„Henry?"
    Er blinzelte,
sah sie an und schüttelte den Kopf, als er bemerkte, wie besorgt sie
dreinschaute. Sein Lächeln wirkte beruhigend, aber auch beschämt. „Alles klar,
das passiert jeden Morgen. So was wie eine
Warnung." Er verstellte seine Stimme, bis sie wie eine Compu terstimme klang, wie man sie aus Dutzenden von
Sciencefiction-Filme n kennt: „Sie haben noch fünfzehn Minuten Zeit, um
sich in das für Ihre Sicherheit
erforderliche Mindestdunkel zu begeben."
    „Na dann los." Vicki stand auf und griff nach seinem Handgelenk. „Fünfzehn Minuten. Aufgeht's."
    „Das war ein Witz", protestierte er, als sie ihn hochzog. „So genau ist die Warnung gar nicht. Mehr ein Gefühl."
    Vicki seufzte und warf einen besorgten Blick aus dem Fenster auf die rosa Streifen, die, da war sie ganz sicher, schon die äußeren Stadt bezirke erreicht hatten. „Gut, dann ist es eben mehr ein Gefühl. Was machst du
gewöhnlich, wenn du das Gefühl verspürst?"
    „Ich gehe zu Bett."
    „Na, und?"
    Einen Augenblick lang studierte er mit erneut angespanntem Ausdruck
ihr Gesicht, dann seufzte er seinerseits und nickte. „Recht hast
    du." Er
entzog ihr seine Hände, drehte sich auf dem Absatz um und durchquerte das
Zimmer.
    „Henry?"
    Er hielt zwar an, drehte sich aber nicht um, sondern wandte nur seinen Kopf
über die Schulter zurück.
    Wenn du dir ganz sicher bist, daß alles in Ordnung ist, brauche ich nicht zu
bleiben. Nur daß er sich nicht sicher war. Genau deswegen war sie ja hier. Er mochte zwar inzwischen
bedauern, dies vorgeschla gen zu
haben - an der Art, wie er jetzt zögerte, erkannte sie, daß er es
bereits ein wenig bereute -, aber die Gründe, warum er es vorge schlagen hatte, bestanden nach wie vor. Wenn sie
diese Sache mit ihm gemeinsam durchstehen wollte, war es scheinbar das
beste, die Angelegenheit wie einen ganz normalen Auftrag zu behandeln. Der Klient befürchtet, daß er unter bestimmten
Umständen Selbstmord begehen könnte.
Ich bin hier, um ihn davon abzuhalten. Plötzlich wurde ihr bewußt, daß
Henry noch immer auf eine Reaktion von ihr wartete.
„Wie fühlst du dich so?"
    Henry hatte Vickis Gedanken an ihrem Gesicht ablesen können. Für dich ist es auch nicht einfacher als für mich, habe ich recht? „Ich spüre die Sonne", flüsterte er und streckte die Hand
nach ihr aus.
    Sie ergriff sie mit einem Ausdruck, den er in Arbeitssituationen an ihr kennengelernt hatte, und dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg ins Schlafzimmer.
    Der allererste Anblick von Henrys Bett hatte Vicki damals auf ganz
irrationale Weise enttäuscht. Zu diesem Zeitpunkt war ihr be reits klar gewesen, daß er den Tag nicht in einem
Sarg auf einem Häufchen Heimaterde
ruhend verbrachte, hatte aber insgeheim schon auf etwas Exotisches gehofft. Ein großes Doppelbett - „Ich wette, dein Vater hätte seinen Spaß dran gehabt!"
- mit weißen Baumwollaken und einer
blauen Überdecke: Das wirkte ganz ein deutig einfach zu normal.
    An diesem Morgen schüttelte sie seine Hand ab und blieb direkt an der Schlafzimmertür stehen, nachdem sie diese hinter sich ge schlossen hatte. Im schwachen Lichtschein, den eine Nachttischlampe
verbreitete, konnte sie so gut wie gar nichts sehen, wußte aber - das hatte er ihr bei ihrem ersten Besuch damals erklärt -, daß sich hinter dem schweren blauen Samtvorhang vor dem Fenster eine
    Lage schwarzlackierten Sperrholzes verbarg, die zum Fensterrahmen hin noch
abgedichtet war. Ein weiterer Vorhang direkt vor der Fensterscheibe verbarg
das Sperrholz vor den neugierigen Blicken der Außenwelt.
Eine Barriere, die die Sonne in Schach halten sollte und die, das wußte Vicki genau, von Henry in
Sekundenschnelle ause inander genommen werden konnte, wenn er das wollte.
Ihr Körper wurde nun zur Barrikade vor der Tür.
    Henry stand vor dem Bett und zögerte, die Finger schon am ersten Hemdknopf. Zu seinem eigenen großen Erstaunen fiel es ihm auf einmal schwer, sich vor Vickis Augen auszuziehen - vor den Augen einer Frau, mit der er seit Monaten schlief, von der er seit Monaten trank! Das ist wirklich zu albern. Sie kann mich wahrscheinlich noch nicht einmal
sehen, das Licht ist viel zu schwach. Er zog sich rasch aus, wobei er kopfschüttelnd konstatierte, daß Hilflosigkeit offenbar
intimer wirkt als Sex.
    Er spürte die Sonne jetzt sehr stark, stärker als er sie seiner Erinne rung nach je zuvor gespürt hatte. Du bist heute einfach nur sensibler dafür. Mehr
nicht! Gott gebe, dachte er, daß das so

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