Huff, Tanya
die Dinge hier so?"
Er hockte sich auf die Kante seines Schreibtischs und strahlte. „Du kennst das
ja: Wir sind alle überarbeitet und unterbezahlt." Sie sah, wie sein Blick an ihren dicken Brillengläsern
hängenblieb und wußte, daß er sich
jetzt fragte, wieviel sie überhaupt noch sehen konnte. „Und du?" fragte er. „Wo hast du deinen Blindenhund
gelassen?"
„Der ist
längst Gulasch."
Sidney lachte so laut, daß er Vickis Zähneknirschen gar nicht mitbekam. „Mal im Ernst, Vicki: wie ist das Leben als Privatdetek tivin?"
„Gar nicht mal schlecht."
„Ja? Celluci sagt, dir geht es ganz gut?"
Das sah Celluci ähnlich, ungebeten Nachrichtenbulletins heraus zugeben! „Ich komme klar."
„Ich habe gehört, ein paar von den
anderen haben dir Fälle rü berwachsen lassen." Austen sah, wie sich
Vickis Gesichtsausdruck veränderte und hob
entschuldigend die Hände. „Mensch, ich hab' das nicht so gemeint, wie es sich angehört hat."
„Sicher nicht." Sie strahlte ihn so herzlich an, daß ihr die
Gesichts muskeln wehtaten.
Austen
schüttelte den Kopf. „Mein Gott, ich kann kaum glauben, daß du schon über ein Jahr weg bist. Du könntest morgen zurück kommen, und es wäre, als seist du nie weggewesen.
Wobei mir einfällt", er zog die Augenbrauen zusammen, „warum bist du
eigentlich nicht öfter mal vorbeigekommen? Einfach nur so, um guten Tag
zu sagen?"
Weil jeder Besuch hier wie ein Messerstich direkt ins Herz ist, du Blödmann!
Aber das konnte sie nicht sagen. Statt dessen zuckte sie die Achseln und fragte: „Wenn du diesem
Affenstall hier entronnen wärst,
würdest du dann zurückkommen?" Sie verließ sich darauf, daß er die Schärfe ihres Tons fehlinterpretieren
würde. „Ich muß jetzt gehen. Der Inspektor erwartet mich."
Als Vicki
Cantrees Büro betrat, kam ihr das vor wie ein Schritt in die Vergangenheit. Wie
oft war sie durch diese Tür getreten? Hun dertmal,
tausendmal, hunderttausendmal? Die letzte Begegnung, kurz vor ihrem Abschied, war von beiden Seiten aus
schmerzhaft höflich verlaufen, und
die Erinnerung daran tat weh, aber nicht so sehr, wie Vicki befürchtet hatte. Sie hatte jetzt ein neues Leben, und die Stelle, wo man ihr das alte herausoperiert
hatte, war so gut wie vernarbt.
„Willkommen daheim, Nelson." Inspektor Cantree legte die Hand auf die Sprechmuschel seines Telefons und wies mit einer Kopfbewe gung auf die Kaffeemaschine im Regal. „Nehmen Sie sich einen. Ich bin
gleich soweit."
Der Kaffee war dick, schwarz und glänzend wie Ölschlick. Vicki füllte
einen Pappbecher zur Hälfte und fügte zwei Teelöffel Kaffeeweißer hinzu. Sie
wußte aus Erfahrung, daß ihre Geschmacksnerven nach den
ersten beiden Schlucken jeglichen Widerstand aufgeben würden und
sie dann in der Lage wäre, den Rest des Kaffees ohne Würgen hinunterzubringen.
Irgendwer hatte einmal vorgeschlagen, Verdächtige mit Hilfe von Cantrees Kaffee
zu Geständnissen zu be
wegen, ein Druckmittel, dem niemand würde widerstehen können. Leider hatte man die Idee wieder fallenlassen müssen, da ein solches Vorgehen unter Umständen einem Verstoß gegen die Menschenrech te gleichgekommen wäre.
„Also!" Cantree legte auf und Vicki zog sich einen Stuhl an den Schreibtisch heran, um Platz zu nehmen. „Schön Sie wiederzusehen, Nelson." Es hörte sich so an, als meine er es ernst. „Ich habe Ihre neue
Karriere verfolgt, soweit ich konnte. Abgesehen von verloren gegangenen Hunden und untreuen Ehemännern waren
Sie für eine Reihe schöner Verurteilungen mitverantwortlich. Es tut mir
außer ordentlich leid, daß wir Sie verloren
haben."
„Bestimmt nicht so leid, wie es mir tat, verloren worden zu sein!" Vicki
brachte ein etwas gequältes Lächeln zustande.
Mit einem Nicken nahm der Inspektor sowohl die Aussage zur Kenntnis als auch die Art, in der sie gemacht worden war. „Wie geht es
den Augen?"
„Sind immer noch im Kopf." Aber da Cantree einer der vier Men schen auf der
Welt war, dem Vicki eine ehrliche Antwort auf diese Frage zu schulden meinte, fuhr sie fort: „Sind bei Dunkelheit keinen Pfifferling wert, bei hellem Licht in Ordnung,
zumindest, solange ich bereit bin, die
Welt frontal anzugehen. Die periphere Sicht hat im letzten Jahr weitere
25 Prozent nachgelassen."
„Es könnte
schlimmer sein."
„Es könnte regnen!" fuhr sie auf und stürzte einen riesigen Schluck Kaffee hinunter. Dessen Weg konnte sie über die gesamte
Länge ihrer Speiseröhre verfolgen. Als er im Magen angekommen
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