Huff, Tanya
herumlaufen."
„Sehr witzig! Wie gedenkst du sie zu finden?" Vicki seufzte. „Ich weiß
nicht", gestand sie. „Aber mir wird etwas einfallen. Vielleicht sollte ich herausfinden, warum man Trembley und
ihren Partner umgebracht und den Mitarbeitern am ROM nur - nun ja,
sozusagen die Köpfe gesäubert hat."
„Vielleicht
kann ich ja noch mal mit Dr. Shane sprechen."
„Warum nicht.
Einen falschen Eindruck scheint sie bereits zu ha ben." Idiotin! Ich kann nicht glauben, daß ich das wirklich gesagt
habe! Vicki versetzte sich mit der freien Hand eine Ohrfeige. Erst denken, dann
quasseln, Nelson!
Sie hörte
förmlich, wie seine Brauen in die Höhe gingen. „Wann hast du Dr. Shane gesehen?"
„Gestern, im Museum." Wenn sie es ihm nicht verriet, würde er nur zu der
bescheuerten Überzeugung gelangen, sie hätte ihm nachs pioniert. „Bei meinen Nachforschungen deine Mumie betreffend!"
„Ach ja."
Das Lächeln in Cellucis Stimme ließ Vicki die Zähne zusammen beißen. „Laß
den Scheiß, Celluci, dafür ist es zu früh! Ruf mich an, wenn die Dame etwas Nützliches beitragen konnte." Sie legte den
Hörer auf, ohne seine Antwort abzuwarten.
„Er denkt, ich sei eifersüchtig!" teilte sie ihrem Spiegelbild auf
der schimmernden schwarzen Rückwand von Henrys Stereoanlage mit. „Warum sollte ich ausgerechnet auf Dr. Shane
eifersüchtig sein, wo ich auf kein einziges der Busenbabies eifersüchtig war,
das er in den letzten Jahren gevögelt
hat?"
„Weil Dr. Shane dir sehr ähnlich ist", gab das Spiegelbild zurück.
Sie zeigte ihm den Stinkefinger und erhob sich mühsam; aus dem bequemen
Sessel. „Es ist wirklich zu früh am Morgen für so was!"
Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Himmel schien niedrig genug zu hängen, daß sie ihn berühren konnte. Die ganze College Street
hinunter bis zum Polizeipräsidium war Vicki von einem eiskalten Westwind
verfolgt worden. Nach einem erholsamen Mittags schlaf und einem ausgiebigen zweiten Frühstück, bestehend aus einer Dose
Ravioli, hatte sie nachgedacht und festgestellt, daß es sie immer noch störte, daß Inspektor Cantree mit dem
Polizeichef über eine simple
Routineangelegenheit des Morddezernats gesprochen hatte.
„Es ist ja nun auch nicht so, als hätte ich irgendwelche anderen Hinweise",
grummelte sie und machte an einer roten Ampel an der Bay Street Halt. Auf der anderen Seite der Straße ragte das Präsi dium empor, als sei es im Jugendstil aus Lego
erbaut worden. Einer ganzen Menge
Leute war das Gebäude verhaßt, aber auf Vicki wirkte es stets fröhlich und freundlich, und sie hatte
sich immer an dem Gegensatz zwischen äußerem Erscheinungsbild und der
Realität im Innern erfreut.
Auf den
Eingangsstufen blieb sie einen Moment lang stehen. Sie war in den vierzehn Monaten seit ihrem Abschied von der Polizei durchaus ein paarmal wieder hier gewesen, hatte
sich dann aber immer in sicheren
Bereichen wie dem Leichenschauhaus oder der Gerichtsmedizin aufgehalten,
nie im Morddezernat. Um zu Inspek tor Cantrees
Büro zu gelangen, würde sie das Großraumbüro ihrer
alten Abteilung durchqueren müssen, wo jetzt jemand anderes an ihrem
Schreibtisch saß, wo alte Freunde und Kollegen immer noch darum kämpften, die Stadt vor einem Abgleiten in
den Sumpf zu bewahren.
Und wo
niemand den Job machen kann, den ich jetzt mache - den Kampf gegen eine Bedrohung, die ebenso real ist wie alles, womit die anderen sich befassen. Der Gedanke half. Sie sah
auf die Uhr: 12:27. „Verdammt."
Sie richtete sich kerzengerade auf und drückte gegen die Tür. „Vielleicht machen sie ja alle gerade
Mittag."
Das war nicht der Fall, aber das Büro war trotzdem so leer, daß Vicki,
an deren Jackenaufschlag wie ein scharlachroter Buchstabe der Besucherausweis haftete, nur zwei Leute sah, die sie von früher her kannte - und einer von denen hatte kaum Zeit, ihr einen kurzen Gruß zuzurufen, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz dem Telefon
zuwenden mußte. Die zweite Person hatte dann leider Gottes mehr Zeit als genug.
„Mein Gott,
mein Gott! Da hat doch unsere Vicki Nelson endlich zur Herde
heimgefunden!"
„Hallo, Sid." Viele Kolleginnen hatten sich schon über Sidney Aus ten beschwert: Er war ihnen zu aufdringlich. Das ging Vicki nicht so; persönlich hatte sie nichts gegen ihn. Was die berufliche Seite betraf, so war sie der Ansicht, daß er seinen Job nicht ernst genug nahm, und es erstaunte sie ein wenig, ihn immer noch im Morddezernat vorzufinden. „Wie stehen
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