Huff, Tanya
Sterbliche da hatte die Tage zur Verfügung, die Dunkelheit wollte Henry
ihm jetzt nicht auch noch gönnen. „Ich schrieb bereits und bin fertig."
„Ein neues
Buch?" Das Wort Buch hörte sich an, als bezöge sich Celluci auf etwas, das
man nach einem raschen Marsch durch einen Kuhstall
unter der Schuhsohle finden mag.
„Nein." Henry hängte seinen Mantel neben
Cellucis Jacke. „Aber ich habe die Arbeit
beendet, die ich mir für die heutige Nacht vor genommen hatte."
„Wie
wunderbar - und dabei ist es noch nicht einmal Mitternacht. Na ja, richtige Arbeit kann man das ja auch nicht
nennen, was Sie so machen."
„Nun, ich nehme an, meine Arbeit ist nicht so anstrengend wie ein Rendezvous, bei dem man so tun muß, als sei man wirklich an der Frau
interessiert, die man eingeladen hat und nicht nur an dem, was sie
vielleicht wissen könnte!"
Celluci warf Vicki einen wutentbrannten Blick zu; diese zuckte schuldbewußt zusammen und sagte rasch: „Das war ein Schlag unter die Gürtellinie, Henry! Mike mußte das tun, er wollte es nicht."
Henry ging in die Küche, und nun waren die beiden Männer, auch wenn sie sich in zwei verschiedenen Räumen befanden, nur knappe vier Meter voneinander entfernt - mit Vicki, die am Tisch sitzengeblieben war, genau in der Mitte zwischen sich. Henry beugte würdevoll den Kopf. „Du hast recht, das war ein Schlag unter die Gürtellinie, für den ich mich entschuldigen möchte."
„Den Teufel
möchten Sie!"
„Wollen Sie mich einen Lügner schimpfen?" Henrys Stimme klang täuschend sanft; die Stimme eines Mannes, den man dazu erzogen hatte zu
befehlen, die Stimme eines Mannes mit jahrhundertelanger Erfahrung im Rücken.
Celluci konnte einfach nicht anders, er mußte darauf reagieren. Seine Wut hatte nicht die geringste Chance, den anderen irgend wie zu beeindrucken, und das wußte er genau. „Nein", würgte er zwischen fest zusammengepreßten Zähnen hervor. „Ich nenne Sie keinen Lügner."
Vicki blickte von einem zum anderen und verspürte das starke Bedürfnis,
die Wohnung zu verlassen und sich eine Pizza zu holen. Die elektrischen Ströme, die zwischen den beiden hin und her gin gen, waren so stark, daß sie sich, als nun auch
noch das Telefon klingelte, richtig anstrengen mußte, um sich loszureißen und
den Hörer aufzunehmen.
„Guten Abend, Schatz. Es ist nach
elf, das Telefonieren ist billiger, und so habe ich
gedacht, ich rufe schnell noch mal an, ehe ich zu Bett
gehe."
Das hatte gerade noch gefehlt. „Schlechter Zeitpunkt, Mutter!"
„Warum? Stimmt etwas nicht?"
„Ich habe ...
Besuch."
„Oh."
Die beiden Buchstaben klangen nicht tadelnd, wogen aber als Teil einer
Unterhaltung überproportional schwer. „Michael oder Henry, Schatz?"
„Nun ..." Vicki wußte sofort, daß dieses Zögern ein Fehler gewesen war.
Ihre Mutter war Expertin darin, Schweigen zu deuten.
„Etwa beide?"
„Glaub' mir,
Mutter: Meine Idee war das nicht." Sie runzelte die Stirn. „Lachst du
etwa?"
„Das würde
ich nicht wagen!"
„Du lachst!"
„Ich rufe morgen an, Kind. Ich kann kaum erwarten zu hören, wie die Sache
ausgeht."
„Mutter, leg bitte nicht ..." Vicki starrte den Hörer wütend an und legte dann auf. „Hoffentlich seid ihr jetzt zufrieden!" Sie
sprang auf und versetzte ihrem Stuhl einen Tritt. „Das werde ich den Rest
meines Lebens zu hören bekommen." Vicki ließ funkelnde Blicke zwischen Henry und Mike hin und her springen und
hob ihre Stimme um eine Oktave. „Ich habe dich gewarnt, Schatz. Was
erwartest du auch, wenn du mit zwei Männern
zusammen bist... Ich kann euch sagen,
was ich erwarte. Ich erwarte, daß ihr euch beide benehmt wie intelligente menschliche Wesen und nicht wie
zwei Hunde, die sich um einen Knochen
balgen. Meiner Meinung nach gibt es keinen Grund, warum wir drei nicht prima
miteinander auskommen sollten."
„Keinen Grund?" fragte Henry milde ungläubig.
Vicki
erkannte den Sarkasmus in seiner Frage, drehte sich zu ihm um und fuhr ihn an: „Halt's Maul, Henry!"
„Sie war
schon immer eine verdammt schlechte Lügnerin", murmelte Celluci.
„Du kannst auch gleich dein Maul halten." Vicki holte tief Luft und schob ihre Brille auf der Nase zurecht. „Gut - wo wir hier schon
mal alle beisammensitzen, sollten wir meiner Meinung nach den Fall besprechen. Hat einer von euch Probleme damit?"
Celluci schnaubte: „Wie könnte ich!"
Henry breitete in einer eindeutigen Geste die Hände aus.
Sie begaben sich ins Wohnzimmer, und allen dreien
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