Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 03 - Blutlinien
Vom Netzwerk:
Zumindest nicht direkt. Henry-Gefühle konnte Tony immer genau erkennen.
    Tony ließ sich auf der niedrigen Mauer vor dem Manulife-Zentrum nieder,
rieb sich die Schläfen und wünschte, das Gefühl würde wieder verschwinden. Er hatte an diesem Sonntag nachmittag Besseres zu tun, als umherzuwandern und herauszufinden, wo der Floh in seinem Ohr herstammte.
    Er trat mit den Absätzen gegen die Betonmauer und beobachtete die Menschen, die wie in einer Parade an ihm vorbeizogen. Ein Baby in einem Rucksack, kaum sichtbar unter der dicken Mütze, dem Schal, den Handschuhen und dem Schneeanzug, erregte seine Aufmerksamkeit. Er mußte grinsen und fragte sich, ob sich das arme Ding überhaupt noch bewegen konnte. Mein Gott, der Winzling verbringt die ersten Jahre seines Lebens und kriegt immer nur zu sehen, wo er gerade war. Wird wahrscheinlich Politiker, wenn er mal groß ist.
    Das Baby schien glücklich und fasziniert einem Mann zuzusehen, der hinter
seinen Eltern herging, auch wenn dieser, soweit Tony das beurteilen konnte,
nichts tat, um die Aufmerksamkeit des winzigen Wesens zu wecken. Der Mann sah so schlecht nicht aus; sein Haar war
schon recht grau, und seine Nase schien ins Unendliche zu ragen, aber er hatte
etwas an sich, das Tony attraktiv fand.
    Er mag wahrscheinlich Babys. Das hier zumindest starrt er... mein Gott, nein!
    Unter der hellblauen, mit einer Reihe dickköpfiger kleiner Enten bestickten Mütze war das Gesicht des Babys plötzlich erschlafft. Das Kind wurde noch durch die schiere Masse seiner Kleidungsstücke aufrecht gehalten, und seine Arme ragten nach wie vor über den Rand des Tragesacks hinaus, aber Tony wußte ohne Zweifel, daß das Baby tot war.
    Kalte Finger legten sich um das Herz des jungen Mannes und drückten fest zu. Im Haar des Mannes, der hinter den Eltern des Kindes herging, zeigte sich kein einziges Fädchen Grau mehr.
    Er hat es
umgebracht. So sicher war sich Tony in seinem ganzen Leben noch über nichts gewesen. Er wußte zwar nicht, wie der Mann das Kind getötet hatte, aber das interessierte ihn
auch nicht. Guter Gott, er hat es
umgebracht!
    Dann wandte
sich der Mann Tony zu, sah ihm direkt ins Gesicht und lächelte.
    Tony rannte, der Instinkt lenkte seine Schritte. Um ihn herum wurde gehupt, er stieß mit jemandem zusammen, und dieser jemand protestierte lautstark. Er ignorierte all das und rannte und rannte.
    Als selbst die Panik ihm keine weiteren Kräfte mehr verlieh und er einfach nicht mehr laufen konnte, brach er in einem finsteren
    Türeingang zusammen und preßte in heftigen Atemzügen Luft an dem
Metallgeschmack in seinem Rachen vorbei in seine Lungen. Sein ganzer
Körper bebte, und jeder Atemzug trieb ihm eine Mes serschneide, gezackt und rasiermesserscharf, in die Rippen. Die Er schöpfung legte sich wie ein Film über das, was er
gesehen hatte, nahm dem Ereignis das
Unmittelbare, gestattete Tony, alles noch einmal aus der Entfernung zu überdenken.
    Der Mann, oder was immer es gewesen war, hatte das Baby umge bracht, indem er es einfach nur ansah.
    Dann hat er sich umgedreht und mich angesehen. Aber ich bin in Sicherheit.
Hier findet er mich nicht. Im Durchgang erklang kein Fußschritt, nichts bedrohte ihn hier, aber dennoch juckte seine Kopfhaut,
und die Muskeln zwischen seinen Schulterblättern verknoteten sich. Er brauchte mir nicht zu folgen. Er wartet
auf mich. Oh Gott, oh Herr Jesus, ich will nicht sterben!
    Das Baby war tot.
    Sie werden
denken, das Baby schläft. Sie werden lachen darüber, daß Babys in der Lage sind, immer und überall zu schlafen. Dann kommen
sie nach Hause und nehmen es aus dem Tragesack, und es schläft gar nicht. Ihr Baby ist tot, und sie wissen nicht, wann und wo oder
warum das passiert ist!
    Tony fuhr
sich mit den Fäusten über die Wangen.
    Aber ich weiß es.
    Und er weiß,
daß ich es weiß.
    Henry!
    Henry wird
mich beschützen.
    Nur daß die Sonne erst in ein paar Stunden untergehen würde und er nicht aufhören konnte, an die Eltern des Kindes zu denken, die nach
Hause kommen würden, um zu entdecken ... das konnte er einfach nicht zulassen! Er mußte es jemandem erzählen.
    Die Visitenkarte,
die er aus seiner Jacke zog, hatte schon bessere Tage gesehen. Sie war angerissen und voller Flecken, der Name und die Telefonnummer darauf waren kaum noch lesbar -
aber sie war jahrelang seine Verbindung zu einer anderen Welt gewesen. Tony drückte
sie heftig mit seiner verschwitzten Hand, verließ vorsichtig, sehr vorsichtig sein Versteck und

Weitere Kostenlose Bücher