Hugo in Gefahr - Ein Fall für die Schwarze Pfote ; 6
war. Fips starrte den Oberindianer mit offenem Mund an. Dann zupfte er hektisch an Merlins Ärmel.
»Ich, ich hab noch nie einen richtig voll echten Indianer gesehen«, stotterte Fips ehrfürchtig.
Merlin warf einen Blick zum Postkutscher und musste grinsen. ›Vielleicht sind die gar nicht alle so richtig voll echt‹, dachte er.
»Wir vom Stamm der Plattfußindianer wollen euch entführen in eine Zeit, die viele Monde zurückliegt«, fuhr Krumme Feder fort. »Eine Zeit, in der unsere Vorfahren ohne technische Errungenschaften …« Ein lautes Handyklingeln ertönte. Der Häuptling zuckte erschrocken zusammen und griff an seine Brusttasche. Über sein Mikrofon hörte man ihn leise fluchen. »Ah, so ein Mist, ein blöder. Hab ich das blöde Ding wieder vergessen auszuschalten.« Als das Klingeln endlich aufhörte, räusperte sich sein Besitzer kurz. Dann sprach er wieder in voller Lautstärke.
»Unser Medizinmann wird euch nun noch mit einem ganz besonderen Gemisch aus geheimen Kräutern ewige Gesundheit verleihen.« Häuptling Krumme Feder riss seine Arme in die Luft und fing an auf der Stelle zu trampeln. »Begrüßt mit mir gemeinsam unseren Blutsbruder ›Giftiger Kessel‹.« Der Indianerhäuptling verfiel in einen monotonen Singsang. »Aiaiaiai, aiaiaiai, aiaiaiai.« Dazu tanzte er weiter auf der Stelle. Eine Frau in einem hellen Lederkleid brachte zwei Trommeln und gab sie den beiden Indianern am Boden. Sofort fingen sie an darauf zu spielen. Leicht gebückt huschte der Medizinmann der Plattfußindianer auf den Platz. Seinen Oberkörper drehte er in kreisenden Bewegungen im Takt der Trommelschläge. Fips starrte wie versteinert auf das Geschehen. Charlotte drehte sich zu Merlin.
»Den finde ich irgendwie unheimlich«, flüsterte sie.
Hugo fing an ungewohnt böse zu knurren. Irgendetwas schien ihm an diesem Typen auch nicht zu gefallen.
›Wahrscheinlich seine Kopfbedeckung‹, dachte Merlin. Denn die sah wirklich zum Fürchten aus.
Der Medizinmann
Giftiger Kessel trug auf seinem Kopf ein Wolfsfell. Wie eine Kapuze hatte er sich die Schnauze tief in die Stirn gezogen. Die obere Zahnreihe des Wolfes ragte wie eine Schirmmütze aus spitzen Zähnen über sein Gesicht. Oben standen zwei flauschige Wolfsohren in die Höhe.
»Meint ihr, das ist ein echtes Fell?«, fragte Merlin.
»Na klar, Medizinmänner haben immer so einen Kram«, kam es sofort von Fips. Man merkte, dass ihm der Kerl auch nicht so ganz geheuer war. »Mit denen ist nicht zu spaßen.«
»Hör gar nicht hin, Hugo«, versuchte Merlin seinen Vierbeiner zu beruhigen. »So was gibt’s nur im Film.« Doch Hugo knurrte weiter.
Der Medizinmann gab undeutliche Laute von sich und lief an den Zuschauerreihen entlang. Dabei tauchte er seine Hand immer wieder in eine kleine Schale und spritzte eine dampfende Flüssigkeit über die Köpfe der Menschen. Als er näher kam, erkannte Merlin, dass der Wolfspelz nicht das einzige ungewöhnliche Kleidungsstück an ihm war. Um seinen Hals hing eine Kette, auf der abwechselnd kleine Knochen und Tierkrallen aufgefädelt waren.
Seine Füße steckten in Fellschuhen, die aussahen wie Bärentatzen. Vorne dran hatten sie sogar richtige Krallen. Was aussah wie ein halblanger Rock, waren unzählige Tierfelle, die eines neben dem anderen an seinem Hosenbund baumelten.
»Iiih«, rief Charlotte und deutete angeekelt auf die Schale in seiner Hand. »Ist das ein Schädel?«
Sie hatte recht. Das Ding, aus dem Giftiger Kessel seinen selbst gebrauten Gesundheitstrank schöpfte, war tatsächlich ein umgedrehter Schädelknochen. Kurz kam Merlin der Gedanke, er könnte von einem Menschen stammen. Doch dazu war er glücklicherweise zu klein. Er musste also von irgendeinem Tier sein. Oder aus Plastik.
Der Medizinmann beendete seine Runde an den Zuschauern vorbei. Endlich beruhigte sich Hugo wieder und hörte auf zu knurren. Giftiger Kessel stellte sich zu seinem Häuptling und trank den Rest der Flüssigkeit in einem Zug aus.
›Was da wohl drin gewesen sein mag‹, überlegte Merlin.
Von einer erneuten Trompetenfanfare wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Die Dame mit dem Schweinchen an der Leine betrat den Platz. Sie ließ das süße Ferkel Männchen machen und belohnte es mit einer riesigen Mohrrübe. Eifrig applaudierten die Zuschauer. Hugo reckte seine Schnauze in die Luft und schnupperte. Als Letztes trat der Sheriff durch das Tor. Feierlich überreichte er dem Indianerhäuptling einen länglichen Gegenstand.
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