Human
drückte seine Zunge von innen gegen die Wange. »Warte, ich hole eben mein Komm und bestell uns was beimnächsten mobilen Fast-Food-Roboter. Was hättest du denn gern? Frittiertes Hühnchen? Einen Burger? Sushi? Köfte?«
»Halt den Mund!« Sie starrte ihn finster an. »Hat dir noch nie jemand gesagt, dass verlockende Bilder keinerlei Nährwert haben?«
»Nein, nicht wirklich. Die Leute, die in meinen Kreisen leben, verwenden keine Worte wie ›Nährstoffe‹.«
Ihr Frust und ihre Wut wichen der Neugier. »Was ist mit dir? Hast du keinen Hunger?«
Er legte sich die Hand auf den unteren Teil seines fast schon eingefallenen Torsos. »Ich habe mir vor langer Zeit einen NEM einsetzen lassen, einen Nährstoffextraktor und -maxi…«
Sie schnitt ihm das Wort ab. »Ich weiß, was ein NEM ist. Ich hatte schon Patienten mit diesem Implantat.«
»Dann weißt du ja, dass ich nicht viel essen muss«, meinte er nickend, »und dass das, was von meinem Verdauungssystem übrig ist, so gut wie alles verarbeiten kann.« Daraufhin wurde er wieder ernst. »Aber letzten Endes brauche ich auch meine Zusatzstoffe. Aber du bist eine armselige, nicht manipulierte Natural, daher müssen wir zusehen, dass wir für dich was anderes außer Wurzeln und Beeren zu essen finden.«
Er wandte sich von ihr ab und ging auf die Öffnung des Überhangs zu. Der von Steinen umgebene Platz gab die Aussicht auf noch mehr Felsen, einige der hartgesottenen Bäume und Büsche, denen es irgendwie gelang, in diesem unwirtlichen Klima zu überleben, sowie ein paar Stellen mit dicken grünen Reben frei. Einige dieser Reben endeten in blassen grün-weißen Kugeln von der Größe eines Footballs.
Neugierig ging er zu den nächsten Reben hinüber, die aus einer Lücke zwischen zwei Felsen quollen, in die er problemlos hineingepasst hätte. Clevere kleine Scheißerchen , dachteer, was immer sie auch waren. Er beugte sich vor und klopfte mit den knochigen Fingerknöcheln der linken Hand gegen eine der rundlichen Verwachsungen, woraufhin er mit einem hohlen Geräusch belohnt wurde. Nach einigem Zerren und Ziehen begleitet von unvermeidlichen Flüchen gab die Rebe die vermeintliche Frucht frei.
Diese präsentierte er Ingrid zwar nicht triumphierend, aber doch mit einer gewissen Selbstzufriedenheit. Sie sah sie zweifelnd an.
»Was ist das?«
»Woher soll ich das wissen? Das ist etwas, das nicht vakuumverpackt in Plastik an deine Wohnungstür geliefert wird. Ich vermute, dass es eine Art wilder Melone ist.«
»Du ›vermutest‹, dass es eine Melone ist?«
Er schüttelte mitleidig den Kopf. »Für jemanden, der so gebildet ist wie du, bist du in der realen Welt verdammt hilflos.« Dann sah er sich um. »Schade, dass ich kein Messer habe.«
Schließlich entdeckte er einen spitzen Stein, der aus dem Boden ragte, ging zu diesem hinüber, hob die Melone hoch über den Kopf, zielte sorgfältig und ließ die Kugel dann auf die Spitze fallen. Es war noch ein zweiter Versuch vonnöten, um die Frucht zu halbieren. Sieht doch ganz gut aus, dachte er nicht ohne Stolz. Der Saft, der aus dem Inneren drang, war aromatisch, und es waren kleine schwarze Samen darin zu sehen.
»Ich bin nicht so hilflos, wie du denkst«, protestierte sie und stellte sich schräg hinter ihn. »Die höhere Bildung ist durchaus zu was gut. Ich hab beispielsweise mal irgendwo gelesen, dass man, wenn man sich im Dschungel verlaufen hat, darauf achten soll, was die Affen essen, weil man das ebenfalls verdauen kann.«
»So ein Pech, dass es hier keine Affen gibt.«
Sie erwiderte nichts, sondern knirschte nur schweigend mit den Zähnen.
Er nahm eine der Melonenhälften in die Hand, pulte mit seinen Fingern ein Stück heraus und steckte es sich probehalber in den Mund. Sein NEM , das dazu gedacht war, Nährstoffe aus so gut wie allem außer unbehandeltem Holz zu extrahieren, würde mit etwas, das tatsächlich essbar aussah, keine Schwierigkeiten haben. Allerdings hatte er trotz der Prahlerei vor Ingrid nicht die leiseste Ahnung, was er da gerade aß, und es bestand immer die Möglichkeit, dass die unschuldig wirkende Frucht unbekannte Gifte enthielt.
Nach allem, was sie gesagt hatte, rechnete er damit, dass sie einige Zeit warten würde, nachdem er die Frucht gekostet hatte, um herauszufinden, ob es irgendwelche Nebenwirkungen gab, aber ihr Hunger war einfach zu groß. Sie riss die andere Hälfte der Melone von dem Stein, auf dem sie noch immer steckte, hielt sie sich vor das Gesicht und biss
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