Hummeldumm
Gepäck.
»Rakete!«, stieß Breitling verdutzt aus, »der hat uns glatt sitzenlassen!«
»Und mei Schiraffe!«, krächzte die Gruberin entsetzt.
»Der helle Wahnsinn«, murmelte Trixi und Bikkie Bing Bing schwenkte über unser buntes Gepäck im Staub.
»I wo, des is sicher a Scherz!«, lachte Speckhut ein wenig verzweifelt.
»Das wäre aber ein komischer Scherz«, fügte Trixi an.
»Hat denn jemand seine Handynummer?«, fragte ich, und als alle stöhnten, sagte ich: »ICH will ja nicht telefonieren! Ich will nur wissen, ob jemand seine Handynummer hat!«
»Du warst doch immer sooo mit ihm!«, schnarrte die Rosinenhexe und überkreuzte ihre knochigen Finger.
»Ja, aber warum hätte ich seine Handynummer brauchen sollen — er war ja ständig hier!«
Als Bahee auch in der darauffolgenden Stunde nicht zurückkehrte und die Sonne immer unbarmherziger auf unsere hummerfarbenen Touristenarme brannte, beschlossen wir, sämtliches Gepäck hinunter ins schattige Henno Martin Shelter zu tragen.
Da saßen wir nun, im Kriegsversteck von anno irgendwann, mit unseren lächerlichen Sonnenhüten und waren nicht mehr als ein unsäglicher Treppenwitz der deutsch-namibischen Geschichte: Nachdem sich Speckhuts Scherztheorie als unhaltbar erwiesen hatte, hofften wir nun auf eine der nächsten Reisegruppen, von denen wir am Morgen ja noch Dutzende gesehen hatten. Um diese abzufangen, hatte sich Schnabel mit einem Bier oben am Parkplatz postiert, der Rest saß auf seinen Taschen und blickte hinab in den Kuiseb-Canyon.
Ich saß bei Seppelpeter, der ungeachtet der bizarren Situation, in der wir uns befanden, mit seiner Kamera den Canyon filmte, Sina und Trixi hatten sich an den tiefsten Teil des Felsvorsprungs verzogen. Was auffiel, war die absonderliche Stille unseres Rastplatzes. Nur ab und an wurde sie durchbrochen von immer weiteren, wilden Theorien über Bahees Abgang, die zumeist mit den Worten »Vielleicht ...« oder »Es könnte ja auch sein ...« eingeleitet wurden. Brenda tippte auf den kaltblütigen Überfall eines mit Bahee verfeindeten Stammes, was wir als unwahrscheinlich abtaten, da wir ja erstens unser Gepäck noch hatten und mir zweitens auch nicht einfiel, welcher Stamm denn nun mit Bahee verfeindet sein sollte — außer Österreich vielleicht. Speckhut, der meine Anspielung nicht komisch fand, witterte nach wie vor eine Art von Versteckte-Kamera-Scherz, denn das könne ja alles nur pure Absicht sein, damit wir ein wenig vom Abenteuergeist der damaligen Zeit einfangen konnten, und später würden wir alles im Netz runterladen können oder auf DVD gucken. Die Gruberin wies ungefragt noch einmal daraufhin, dass Bahee ja noch nie der Zuverlässigste gewesen sei und der Verständlichste schon gar nicht und dass sie ohnehin glaube, dass Bahee hummeldumm sei.
»Ich habs!«, rief Brenda nach einer Weile aufgeregt, »ich weiß, warum er weggefahren ist!«
Sogar Karl-Heinz Seppelpeter blickte nun interessiert auf.
»Warum?«, fragte Breitling in einer Stimmlage, die erkennen ließ, dass er nicht wirklich mit einer sinnvollen Antwort rechnete.
»Na, der musste einfach wahnsinnig dringend woanders hin!«
Breitling zog die Stirn kraus. »Und ... wo ist da jetzt genau deine Theorie?«
»Mit dir rede ich doch gar nicht mehr«, konterte Brenda, merkte dann aber doch, dass auch eine gewisse Gruppenanerkennung ausblieb - im Gegenteil: Die sieben aufmerksamen Augenpaare, die soeben noch auf Brenda gerichtet waren, fixierten nun des guten Anstands halber wieder den staubigen Felsboden.
Auch ich wälzte ein gutes Dutzend Theorien, von denen mich aber keine zu überzeugen vermochte: ein Anruf von dieser Novy, in die er sich verliebt hatte? Unwahrscheinlich, dafür war er zu missmutig ans Handy gegangen. Ein Todesfall in der Familie? Möglich, aber kein Grund, eine komplette Wandergruppe ohne Nachricht im Nichts stehenzulassen. Ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte: Es musste irgendwas mit uns zu tun haben. Nur was um alles in der Welt konnte das sein? Speckhut hatte eine Idee.
»I hob's, also ... vielleicht ...«
»Sog's net!«, stöhnte die Gruberin in freudloser Erwartung einer weiteren unsinnigen Bemerkung ihres Gatten, doch dieser schien in all den leidvollen Ehejahren gelernt zu haben, derartige Anweisungen zu ignorieren.
»I glaub, der Bahö hat die Schnauzen voll g'habt von uns.«
»Sauber!«, hustete Seppelpeter und nahm die Kamera vom Auge. »Des glaub ich abber auch.« Überrascht schauten wir zu
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