Humphrey, ich und Kokolores (German Edition)
zumindest.
»Sie müssen Lucy sein!« Er lächelte und zeigte eine Reihe makelloser Zähne, die einen Tick zu weiß für seinen sonnengebräunten Teint wirkten. Aber ansonsten war er einfach perfekt. Und mal ehrlich, konnten zu weiße Zähne einen Schönheitsmakel darstellen? Wenn sie blendeten und das Aufsetzen einer Sonnenbrille erforderlich wurde, dann vielleicht, aber das war hier nun eindeutig nicht der Fall.
»Ich bin Tom. Tom Olsen.« Wir schüttelten einander die Hände, während ich mir zunehmend wie ein dummes Schulkind vorkam. Ich wollte etwas Witziges sagen, doch aus Angst, Sabberfäden zu produzieren, presste ich meine Lippen fest aufeinander.
»Ihr Kater ist im Wohnzimmer und kämpft mit der Gardine.«
»Oh«, erwiderte ich und folgte ihm ins Haus.
Der Flur war äußerst spartanisch eingerichtet. Ein Schirmständer und drei Garderobenhaken an der Wand. Keine Kommode, kein Spiegel. Keine Bilder oder Dekorationen.
Tom führte mich ins Wohnzimmer, in dem ich mich auf Anhieb wohlfühlte. Eine braue Ledercouch und ein grüner Samtsessel standen in der Ecke des Raumes, umgeben von zahlreichen Bücherregalen.
»Wow!«
Tom lächelte. »Ich lese gerne«, sagte er schulterzuckend und ging ans Fenster. Ein Fauchen verriet mir, dass er sich Humphrey genähert haben musste. »Na, komm schon«, murmelte er, bückte sich und griff ins Leere. Denn Humphrey hatte natürlich keine Lust sich auf den Arm nehmen zu lassen. Auch nicht im wortwörtlichen Sinn. Der Kater machte einen Satz nach vorne und verhedderte sich mit den Vorderpfoten in den Vorhängen.
»Humphrey, benimm dich!«, rief ich und eilte Tom zur Hilfe, der beim Versuch sein Mobiliar zu schützen, schon einige Kratzer auf den Armen abbekommen hatte.
»Warten Sie, nehmen Sie schon mal die Transportbox und - « Der Rest von dem Satz ging in meinem Schmerzensschrei unter, denn das blöde Vieh hatte seine Krallen in meinen Arm gerammt, als ich es hochheben wollte.
»Schluss jetzt!«, schrie ich.
Nach zwanzig Minuten war Humphrey in der Transportbox verstaut und ich sah aus, als ob ich zwei Nächte im Wald geschlafen hätte. Meine Haare hingen mir wirr ins Gesicht, einige Strähnen klebten auf der schweißnassen Stirn. Rote Striemen zierten meine Arme und mein Kleid war völlig zerknittert.
»Ein aktives, kleines Kerlchen«, sagte Tom und drückte mir einen dampfenden Kaffeebecher in die Hand.
»Er gehört meiner Mutter. Ich passe nur auf ihn auf, solange sie im Krankenhaus ist.«
»Nichts Ernstes, hoffentlich.«
»Nein, nur die Hüfte.«
Tom deutete auf die Couch, und ich nahm das Angebot mich zu setzen dankbar an.
»Ich habe ihn heute Früh im Garten entdeckt. Er hatte es wohl auf die Goldfische in meinem neuen Teich abgesehen, sich aber im Netz verheddert.«
»Wenn er nicht so fies wäre, würde ich nun sagen, der Ärmste.«
Tom lachte. »Er tat mir wirklich etwas leid. Miaute wie eine ganze Armee Katzen und konnte sich selbst nicht mehr befreien.«
»Große Klappe, aber wenn es drauf ankommt, sind sie alle gleich und jammern«, sagte ich und nahm einen Schluck des köstlich duftenden Kaffees.
»Wohnen Sie alleine hier?«, fragte ich plötzlich und hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen.
»Ja. Sehr zum Ärger meiner Mutter, die sich allmählich Enkelkinder wünscht.« Er grinste schelmisch.
»Ja, Mütter können ganz schön nerven.« Verflixt. Fiel mir nichts Witzigeres ein? Etwas halbwegs Intelligentes?
Mit einer lässigen Handbewegung strich er sich durch seine halblangen blonden Haare. Verdammt, sah er gut aus! Seine Augen funkelten bei jeder seiner Bewegungen, als schwammen kleine Kristalle darin. Ich konnte kaum den Blick von ihnen abwenden.
»Was machen Sie denn sonst so, Lucy, wenn Sie nicht gerade den Kater ihrer Mutter verlieren?«
»Hey! Ich hab ihn nicht verloren. Er ist mir...abhandengekommen.«
Er hob eine Braue und grinste, woraufhin ich einen entrüsteten Blick aufsetzte. »Ich wusste nicht, dass er nicht in den Garten darf.«
Er lachte, und ich begann, mich immer wohler zu fühlen. »Ich plane, demnächst eine Catering-Firma zu gründen.« Von diesem Vorhaben hatte ich bisher noch niemandem erzählt. Bis auf Sophie. Aber die zählte nicht, weil wir uns immer alles erzählten. Fast erwartete ich, ein Lachen als Reaktion zu hören.
»Hier in Wedel?«
»Nein, in Kiel. Dort wohne ich seit einigen Jahren.«
Er nickte. »Schade. Eine gute Catering Firma fehlt hier, dann müssten wir im Büro nicht von Dosenfraß
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