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Hundeelend

Hundeelend

Titel: Hundeelend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Bateman
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du auch die Juniorpartnerin.«
    »Du sagst das mit einem Lächeln, aber meinst es tatsächlich ernst.«
    »Die Lösung liegt auf der Hand, und das muss sie auch. Ich lebe schließlich von Detektivliteratur, auch wenn sie mich alle auslachen, weil ich darauf vertraue.«
    »Sie …?«
    »Ja, sie. Alle.«

    »Nicht alle lachen über …«
    »Hör mir einfach zu. Im Grunde sind wir alle gleich. Glaubst du wirklich, ein Polizist ist cleverer als jemand, der Hüte entwirft? Nein, sie haben einfach nur einen besseren Zugang zu Tatorten, Beweisen und Laboren. Aber Autoren sind mindestens genauso clever, und oft sogar noch viel, viel cleverer, denn sie verfügen durch ihre Tätigkeit in den verschiedensten Berufen über weit mehr Erfahrung. Sie sind Astrophysikerinnen oder Truthahnfarmer, Jockeys oder Bergsteigerinnen, Hausfrauen, Lehrer oder Bauchredner, und sie bringen ihre ganze Routine mit in die Fälle ein. Dagegen sind die meisten Cops seit ihrem Eintritt in die Polizeiakademie immer nur Cops gewesen. Sie haben nie in der realen Welt gelebt. Hast du eine Vorstellung davon, wie viele Kriminalromane in den letzten hundert Jahren geschrieben wurden?«
    »Nein, ich …«
    »Hunderttausende. Und weißt du, was das bedeutet?«
    »Der Markt ist völlig über…«
    »Es bedeutet, dass es wohl kaum ein Verbrechen gibt, das nicht bereits von einem Krimiautor beschrieben und gelöst wurde. Wobei es nicht unbedingt immer exakte Parallelen zum wirklichen Leben geben muss; man kann Elemente aus verschiedenen Fällen isolieren, sie neu kombinieren, und findet am Ende eine Lösung, die mindestens ebenso plausibel ist wie die der Cops.«
    Alison nickte eine Weile und sagte dann: »Du lebst schon in deiner speziellen Welt, oder?«
    Beinahe hätte ich zurückgeschossen, ob sie je von Ronald Knox gehört hatte, was ich natürlich von vornherein
ausschließen konnte. Er war Priester, Theologe und Krimiautor, aber in Erinnerung geblieben ist er – zumindest in unserer kleinen Gemeinde – vor allem durch seinen Dekalog: die zehn Gebote, die jeder Krimiautor zu beachten hat, wenn er die Grenzen der Glaubwürdigkeit nicht überstrapazieren will. Laut diesen Regeln muss der Täter frühzeitig in der Geschichte auftreten, darf aber niemand sein, dessen Gedanken der Leser kennt. Die Handlung hat außerdem jedes übernatürliche Element zu vermeiden. Es darf nicht mehr als einen geheimen Raum oder Gang geben. Kein bisher unbekanntes Gift darf zur Anwendung kommen, noch irgendwelche anderen Mittel oder Vorrichtungen, die am Ende eine lange wissenschaftliche Erklärung erfordern. Kein Chinese darf in der Geschichte auftreten. Kein Zufall darf dem Detektiv zu Hilfe kommen, noch darf er durch unerklärliche Intuitionen zum Ziel gelangen. Der Detektiv darf nicht selbst der Täter sein. Der Detektiv muss jede Spur erläutern, die er findet. Der dämliche Gehilfe des Detektivs, der Watson, darf dem Leser keinen seiner Gedanken verbergen; seine Intelligenz muss leicht unter der des Durchschnittslesers liegen. Zwillinge, überhaupt Doppelgänger, dürfen nicht auftreten, es sei denn, der Leser wird geschickt auf sie vorbereitet.
    Zugegebenermaßen könnten diese Regeln – die 1929 verfasst wurden – eine kleine Auffrischung gebrauchen; beispielsweise könnte man statt keine Chinesen sagen: keine Russen. Trotzdem besitzen sie noch immer Gültigkeit, nicht nur in der Literatur, sondern auch bei der realen Untersuchung eines Verbrechens. Diese Gebote
brachten mich stets zurück auf den Boden der Tatsachen, wenn ich einmal wieder dazu tendierte, Aliens oder Zigeuner für die Täter zu halten.
    »Aliens?«
    »Hab ich das gerade laut gesagt?«
    Sie schüttelte den Kopf, während sie weiter den Verkehr beobachtete. Dann erkundigte sie sich, ob ich meine Medikamente genommen hatte. Was ich bejahte, denn seit Kurzem nahm ich eine Pille, die mir half, mich an das Einnehmen meiner Medikamente zu erinnern.
    »Sobald das Baby auf der Welt ist, helfe ich dir, von diesem ganzen Mist loszukommen.«
    Sie war so naiv. Die anderen würden das niemals zulassen. Die wollten, dass ich kontrollierbar war. Zumindest soweit ich das bisher durchschaute.
     
    Der Einäscherungsgottesdienst für Jimbo war auf drei Uhr angesetzt. Es war der letzte des Tages. Als wir durch das Tor fuhren, wies Alison mich auf eine Plakette hin: Friedhof des Jahres. Der Parkplatz war halb leer. Fünfzehn Sekunden nachdem wir unseren Wagen abgestellt hatten, hielt Greg hinter uns und folgte uns

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