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Hundeelend

Hundeelend

Titel: Hundeelend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Bateman
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ihren alten Mini gegen diesen Käfer eingetauscht; beziehungsweise neun Tage, nachdem sie Mutters Schlaganfall verursacht hatte. Ich denke, sie hat versucht, auf diese Art ihre Schuldgefühle zu bewältigen. Aber ehrlich gesagt, zur Bewältigung ihrer Schuldgefühle hätte sie das Auto wohl besser meiner Mutter gekauft,
anstatt sich selbst zu belohnen; auch wenn sie dann natürlich das Lenkrad, die Schaltung und die Bremsen hätte entsprechend umrüsten lassen müssen.
    Alison blieb im Wagen sitzen, obwohl sie genau wusste, dass ich sie bemerkt hatte. Gelegentlich machte sie das universelle Handzeichen für Wichsen, was offensichtlich an meine Adresse ging. Eine merkwürdige Situation. Ich beobachtete ein Haus auf der Suche nach Jimbo und RonnyCrabs, während Alison mich beobachtete. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich zugleich Stalker und Stalkingopfer.
    Das Haus in Marston Court war das letzte in einer langen, ansteigenden Reihe von Einfamilienhäusern. Die fensterlose Brandmauer des Hauses war vollständig von einem Wandgemälde bedeckt: Es erinnerte an die Soldaten, die in der Schlacht an der Somme gekämpft hatten und gefallen waren. In der Kunstwelt erregt es manchmal großes Aufsehen, wenn Experten bei der Restaurierung eines scheinbar wertlosen Gemäldes darunter das Werk eines alten Meisters entdecken. Etwas Ähnliches galt für dieses Schlachtengemälde, nur war das Bild darunter weder sonderlich gut versteckt noch von großem Wert. Aufgrund der schlechten Qualität der Wandfarbe oder vielleicht auch wegen der großen Saugfähigkeit der Ziegelwand konnte man das ursprüngliche Wandbild hindurchschimmern sehen: Es feierte die protestantischen Red Hand Commandos und ihre mörderischen Taten während der bewaffneten Auseinandersetzungen in Nordirland. Womöglich hatten Jimmy und RonnyCrabs, die ja Maler und Lackierer waren, eines dieser beiden
Wandgemälde geschaffen, vielleicht sogar beide; was wiederum den Schluss nahelegte, dass sie früher mit einer terroristischen Organisation sympathisiert oder ihr sogar angehört hatten. Mit dem Friedensabkommen hatten die republikanisch gesinnten Terroristen ihre Waffen abgegeben und sich auf einen politischen Prozess eingelassen; dagegen hatten die Kämpfer der Loyalisten ihre Waffen zumeist behalten und angefangen, mit Koks zu dealen (in den meisten Fällen fuhren sie einfach damit fort). Das Einzige, was sich wirklich geändert hatte, waren die Grenzen, innerhalb oder außerhalb derer sie sich beim Dealen sicher bewegen konnten. Wie im übrigen Europa waren auch in Nordirland die Grenzen durchlässig geworden. Der Friede hieß für die Republikaner, dass sie die Macht teilten; für die Loyalisten bedeutete es eine Ausweitung des Drogenmarktes. Ich lächelte zufrieden. Ein Blick auf ein historisches Wandgemälde, und Jimbo und RonnyCrabs waren für mich ein offenes Buch. Ohne viel Aufwand hatte ich ihren Hintergrund und ihre trübe Gesinnung analysiert. Ich war schon immer gut im Aufdecken von Verbrechen gewesen, doch mit zunehmender Erfahrung begann ich regelrecht zu brillieren.
    Es klopfte an meine Fensterscheibe. Alison lächelte herein. Ich kurbelte die Scheibe herunter. »Was?«
    »Ich hab nachgedacht.«
    »Da kann ja nichts Gutes dabei raus …«
    »Du musst doch deinen Laden führen, und das hier könnte Stunden dauern.«
    »Jeff ist sehr wohl in der Lage …«
    »Glaubst du wirklich?«

    »Auf was willst du hinaus?«
    »Ich habe den Rest des Tages frei und nichts anderes zu tun, als ein Baby wachsen zu lassen. Ebenso gut kann ich hier rumhängen und warten, bis sie auftauchen und Fotos von ihnen schießen; oder wenn du willst, kann ich sie auch zeichnen.«
    »Sie zeichnen? Glaubst du vielleicht, die posieren für dich? Außerdem hab ich dein Zeug gesehen.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Ganz einfach, Billy Randall legt vermutlich Wert darauf, die Kerle zu erkennen. Wenn ich ihm deine Version der Kerle zeige, hält er mich wahrscheinlich für geisteskrank.«
    »Du bist geisteskrank.«
    »Oder für drogensüchtig.«
    »Du bist …«
    »Du weißt genau, was ich meine. Dein Kram ist nicht unbedingt realistisch. Er ist surreal.«
    »Mann, du hast von Kunst so viel Ahnung wie die Kuh vom Eislaufen. Davon abgesehen kann ich auch normal. Ich beherrsche jeden Stil.«
    Ich musterte sie. Sie hob eine Augenbraue. Auf dem Beifahrersitz lag meine Kamera. Sie war mit einem guten Teleobjektiv ausgerüstet. Ich vermisste meinen Laden und hatte keineswegs

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