Hundeelend
blickten uns beide im Kein Alibi um.
Mehr gab es dazu nicht zu sagen.
Sie hatte mich so lange damit genervt, meine Assistentin sein zu dürfen, und ständig darauf gedrängt, in alles einbezogen zu sein; und jetzt ließ sie mich auf einmal völlig überraschend allein. In gewissem Sinne begrüßte ich das, denn offensichtlich hatte sie endlich kapiert, wie ich am besten arbeitete; aber es war auch verwirrend, weil es so untypisch für sie war. Vielleicht verlagerte sich ihr Fokus von der Verbrechensbekämpfung auf ihre zukünftige Mutterschaft. Womöglich waren die Arbeit im Juweliergeschäft und das Geldverdienen für sie gleichbedeutend mit der Materialbeschaffung für den Nestbau. Oder aber sie wollte mit meinem Baby untertauchen und brauchte das Geld. Oder sie plante erneut, den Fall auf eigene Faust zu lösen …
»Fokussiert bleiben«, sagte Alison.
Ich reckte beide Daumen in die Luft.
Sie verließ das Kein Alibi.
Dann überquerte sie die Straße und betrat den Juwelierladen.
Siebenundzwanzig Minuten lang observierte ich ihre Ladentür, nur für den Fall, dass sie sich abzusetzen versuchte.
Fokussiert bleiben.
Fokus, abgeleitet aus dem lateinischen Wort focus .
Fokus, ein Punkt, an dem sich Lichtstrahlen bündeln.
Fokus, ein Streuherd, der als lokales Krankheitsgeschehen Fernwirkung ausübt.
Focus , ein Jazz-Album von Stan Getz.
Fokus, der Teil des Satzes, der die wichtigste Information transportiert.
Focus , ein Roman von Arthur Miller.
Focus, eine Luft-Boden-Rakete der US-Navy.
Bleib fokussiert , verdammt noch mal.
Ich dachte über die Chronologie des Verbrechens nach und beschloss, wieder ganz am Anfang anzusetzen, denn offenkundig hatte alles mit dem Tod des Hundes begonnen, den wir inzwischen unter dem Namen Patch kannten. Seine Todesart mochte unbedeutend erscheinen, doch meiner Überzeugung nach muss man zunächst alles über einen Fall in Erfahrung bringen, um dann die Fakten gründlich sichten und das wirklich Relevante herauspicken zu können. Es war so ähnlich wie an Halloween, wo man einen einzelnen Teller mit Apfelkuchen und Vanillesauce nach der Geldmünze durchsucht, obwohl es noch fünf weitere Teller gibt, auf denen sie ebenso gut versteckt sein kann. Um ganz sicherzugehen, musste man sogar vom ursprünglichen Kuchen ausgehen, bevor er in einzelne Portionen aufgeteilt wurde, und nicht nur die süßen Äpfel und den weichen Teig inspizieren, sondern
auch die harte Kruste am Rand. Ja, man muss zunächst einmal sicherstellen, dass sich die Münze überhaupt in dem Kuchen befindet und es kein Schwindel ist, mit dem deine Ehrlichkeit und deine Geduld auf die Probe gestellt werden sollen; dass es keine Falle ist, um dich auf frischer Tat zu ertappen und anschließend zur Strafe in den dunklen Kleiderschrank mit den Leichen vertrockneter Mäuse zu sperren und erst nach drei Tagen wieder herauszulassen.
Ganz offensichtlich war Patch eines gewaltsamen Todes gestorben, und das hatte die ganze Affäre mit dem ausgestopften Hund ausgelöst. Er war noch ein Welpe gewesen und sicherlich zu jung, um von Krankheit oder Altersschwäche dahingerafft zu werden. Höchstwahrscheinlich war der aufgekratzte kleine Kläffer auf die Straße geschossen und dort überfahren worden. Erfahrungsgemäß schalten sich bei Unfällen immer auch die Versicherungen mit ein, daher rief ich Billy Randall an. Im Paket mit seinen Flügen verscherbelte er auch billige Reiseversicherungen. Also hatte er Verbindungen. Das ist so üblich bei Versicherungsgesellschaften. Sie bilden konspirative Verschwörungen, die sich vor allem gegen die Versicherungsnehmer richten.
Obwohl er mir angeblich die Durchwahl gegeben hatte, musste ich mich durch Dutzende von Optionen quälen, die mir sein automatischer Anruferservice vorleierte. Irgendwann wurde ich schließlich durchgestellt.
Er sagte: »Haben Sie noch nie vom Datenschutzgesetz gehört?«
»Doch«, erklärte ich.
»Gut. Dann bin ich ja beruhigt. Und wir können uns darauf einigen, dass dieses Gesetz ein Riesenschwachsinn ist. Hat Ihre Frage was mit dem Fall zu tun oder wollen Sie jemanden übers Ohr hauen?«
»Weiß ich noch nicht.«
»Egal. Geben Sie mir noch mal die Daten.«
Ich nannte ihm den September letzten Jahres, als der sechs Wochen alte Welpe Patch seinen ersten und letzten Auftritt im QIP -Magazin hatte, und den vergangenen Juli, als der alte Gunn ihn ausgestopft hatte, während der Junior im Urlaub weilte. Von den Datumsangaben her war das
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