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Hundejäger töten leise

Hundejäger töten leise

Titel: Hundejäger töten leise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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weiter. Bevor Helga
zum Morgenspaziergang aufbrach, mußte er geweckt werden.
    Locke führte ihn jetzt am
Halsband ins Haus, wo er ihr nicht mehr von der Seite wich. Tom war bereits in
seinem Zimmer.
    Aus der Küche rief die Köchin:
„Hallo, Locke! Bist du’s?“
    „Tag, Frau Mehrrettich!“
    Locke ging in die Küche und gab
ihr die Hand.
    Luise Mehrrettich — sie hieß
tatsächlich so — war eine freundliche Person, der man ansah, daß sie gern
kochte und noch lieber aß. Sie war hier Köchin und Haushälterin in einer
Person, hatte Tom zu ihrem Liebling erkoren und erfüllte ihm jeden Wunsch, so
sie konnte. Nicht nur, daß sie bevorzugt seine Lieblingsspeisen kochte. Auch
das Bett machte sie ihm — wozu er morgens nie Zeit hatte. Daß sie regelmäßig
sein Zimmer aufräumte, vergalt er ihr mit breitem, dankbaren Grinsen.
    Was ihren Namen betraf, legte
sie großen Wert darauf, daß Mehrrettich mit H geschrieben wurde und nicht etwa
mit doppeltem ee. „Aber bitte mit H!“ war ihre Redensart. Daraus hatte sich ihr
Spitzname ergeben: Mit-Ha.
    Locke schnupperte in Richtung
Elektroherd. „Linsen mit Schweinebauch?“
    Mit-Ha lächelte. „Gute
Hausmannskost! Ißt Tom so gern. Dann decke ich also doch für zwei. Sonst hätte
Tom nämlich allein essen müssen. Die Frau Doktor hat noch in der Praxis zu tun.
Und ich muß ja Diät halten. Aber nur noch diese Woche.“
    Das sagte sie seit Monaten:
„...nur noch diese Woche.“
    Doch ihr figürlicher Umfang
veränderte sich nicht. Wahrscheinlich naschte sie heimlich und dachte: Was
niemand sieht, macht auch nicht dick.
    Fünf Minuten später saßen Locke
und Tom am Tisch. Nicki streckte sich zwischen ihnen aus und brummte zufrieden.
Sein Kopf lag auf Lockes Füßen, was er himmlisch fand.

    Tom leerte mit erstaunlicher
Geschwindigkeit zwei Teller. Locke schaffte nur einen halben, trank aber ein
großes Glas Milch. Mit-Ha war nicht gekränkt. Mittlerweile wußte sie, daß Locke
nur über einen schwach entwickelten Appetit verfügte.
    In dem gefliesten Flur, der zum
Praxistrakt hinüberführte, erklangen Schritte. Spitze Absätze klapperten.
    „Luise“, rief Helga Conradi,
„mach mir bitte rasch einen Kaffee. Sind die Kinder noch da?“
    Offenbar hatte sie beobachtet,
daß beide gekommen waren.
    „Sie essen“, rief Mit-Ha aus
der Küche. „Wollen Sie nicht auch, Frau Doktor?“
    „Nur Kaffee.“
    Toms Mutter kam herein. Nicki
sprang ihr freudig entgegen. Mit einer Hand wurde er gekrault. Mit der anderen
umarmte sie Locke. Tom küßte seine Mutter auf die Wange.
    „Ich würde euch ja gern
Gesellschaft leisten“, sagte Flelga. „Aber ich habe noch 30 Patienten bis heute
abend. Und spätestens um sieben muß ich fertig sein.“ Sie lächelte. „Du weißt
es sicherlich, Locke. Gunter und ich gehen ins Theater. Lady Windermeres
Fächer. Anschließend essen wir in der Theaterklause.“
    „Richtig!“ Locke lachte.
„Gestern hat er’s gesagt. Aber bei mir ist nur hängen geblieben, daß er spät
heimkommt. Um so besser! Dann kann Mike sich sein Spiegelei selbst braten. Mich
wird die Küche nicht sehen.“
    „Im Moment bin ich zwar satt“,
sagte Tom. „Aber das wird nicht bis Mitternacht Vorhalten. Wäre das nicht ‘ne
Idee, Locke, wenn wir beide so zwischen zehn und elf in der Theaterklause
aufkreuzen. Vielleicht sitzen da ganz zufällig spendable ( freigebig )
Elternteile, die uns ein Feinschmeckeressen auf drängen.“
    „Untersteht euch!“ lächelte
Helga. „Wir wollen Händchen halten und nichts von euch sehen. Kinder von eurer
Größe erinnern einen nur daran, daß man kein Teenager mehr ist.“
    „Also, Mutter!“ sagte Tom mit
dem tiefsten Baß, zu dem er fähig war. „Wie 42 siehst du wirklich nicht aus.
Höchstens... naja, 40 oder 41. Aber keinen Tag mehr.“
    „Paß auf, du! Gleich tunke ich
dich in die Linsen.“
    „Ihr Kaffee, Frau Doktor!“
sagte Mit-Ha in diesem Moment und brachte ein kleines Tablett mit Sahnekännchen
und großer Tasse herein.
    Helga trank im Stehen. Sie war
wirklich in Eile.
    Locke tauschte mit ihr einen Blick,
und beide lächelten.
    Was besseres als Helga, dachte
Locke, konnte Papi nicht passieren. Eine tolle Frau. Sie ist und bleibt mein
Vorbild. Himmel, wenn wir alle doch nur ein bißchen mehr Zeit hätten. Sind wir
nicht wie eine große Familie: Papi, Mike, Helga, Tom und ich. Aber keiner hat
Zeit, obwohl wir uns bombig verstehen. Ist wirklich viel zu selten, daß wir
alle zusammen sind und miteinander feiern.

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