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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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als Nachsorge, wie mein Hausarzt zu sagen pflegte. Ich zog einen Strick aus der Tasche, legte das eine Ende um den Türknauf und befestigte das andere am Treppengeländer. Dann nahm ich den Kaugummi aus dem Mund, drückte ihn gegen die Linse des Spions und legte ein Ohr an die Tür. Durch das Holz drang ein leiser Ruf der Verwunderung. Na bitte, Witwe Korn war auf dem Posten. Vielleicht sollte ich sie mit Meyerheim verkuppeln?
    Ich hörte, wie sie ächzend von der Fußbank stieg. Hannibal sah mich traurig an. Ich schüttelte den Kopf. »Wehe, du heulst«, sagte ich. Arme, alte Frau, sagte mein Gewissen. Ist ja nur für ein paar Minuten und für einen guten Zweck. Außerdem werde ich ihr 20.000, nein, 10.000 Euro schenken. Das sollte doch als kleine Entschädigung genügen, sagte eine andere Stimme in meinem Kopf. Ich hörte weder auf mein Gewissen noch auf die Stimme. Ich hörte, wie Frau Korn fragte: »Wer ist da?«
    Jetzt zerrte sie an der Tür. Vergeblich. Der Strick hielt. Sehr gut. Der Weg zu den Millionen war frei.

28
    Viel Zeit blieb mir nicht. Frau Korn wurde laut. Irgendwann würde jemand im Haus auf die krakeelende Frau aufmerksam werden und die Polizei rufen. Möglicherweise kam Frau Korn auch selbst auf die Polizei-Idee. Vielleicht hatte sie das Telefon bereits in der Hand.
    Also los. Zehn Minuten mussten reichen. Ich entfernte das polizeiliche Siegel und machte mich damit zum dritten Mal, seit ich das Haus vor fünf Minuten betreten hatte, strafbar. Egal. Die Südsee rief. Oder irgendein anderes sonniges Fleckchen dieser Erde. Hoffentlich war es nicht die Wüste Gobi.
    Diesmal benutzte ich eine Master-Card . Die Tür ließ sich überzeugen und leistete keinen nennenswerten Widerstand. Mit einem leisen Klick sprang sie auf. Ich postierte Hanni am Eingang und ging gleich zur Sache. Na bitte. Die DVDs waren noch da. Fein säuberlich lagen sie im Regal, als hätten sie nur auf mich gewartet. Es war mein Tag, meine Woche, mein Jahr, mein Zeitalter. Ich klopfte mir auf die Schulter. Gedanklich.
    Nicht schlecht, Siegfried, deine Zukunft liegt klar und deutlich vor dir. Und sie sieht rosig aus. Vielleicht kannst du Cleo überzeugen, dass sie zusammen mit dir in den Sonnenaufgang fliegt. Der Wink mit ein paar violetten Scheinen kann Wunder bewirken. Sehr große Wunder. Geld ist ein sehr starkes und bisweilen sogar hocherotisches Argument.
    Ich vertagte den Gedanken an den gemeinsamen Flug mit Cleo um eine Stunde. Jetzt galt es, Geld, Lebensunterhalt und Zukunft zu sichern. Ich zog ›Vom Winde verweht‹ aus dem Stapel und öffnete die Hülle. Kein Geld! Das konnte nur ein kleiner Missgriff sein. Ich langte nach ›Apokalypse now ‹, nichts. ›Taxi Driver‹, wieder nichts. Langsam wurde ich nervös. ›Desperados‹, ›Der Pate‹, ›Ran‹, ›Spiel mir das Lied vom Tod‹, ›Die durch die Hölle gehen‹, nichts, nichts, nichts. Ich ging durch die Hölle und öffnete die Boxen von ›Lost Highway‹, ›Wild at Heart ‹, › Psycho ‹, ›Macbeth‹, › Barton Fink‹, ›Die Legende von Paul und Paula‹, nichts. Ich öffnete den ganzen Rest. Kein lumpiger Euro!
    Hatten Prolls Leute das Geld gefunden? Wahrscheinlich. Ich sah Proll vor mir. Hämisch grinsend saß er an seinem Schreibtisch. Auf dem Tisch die violetten Scheine.
    ›Wo sind die restlichen 20.000?‹, hörte ich ihn fragen.
    ›Die kriegst du nie‹, hielt ich gegen.
    ›Das werden wir ja sehen, Gass .‹
    ›Reicht dir nicht, was du da auf deinem Schreibtisch liegen hast?‹
    ›Nein, Gass , es reicht mir nicht. Ich will alles. Alles!‹
    Das hämische Grinsen wurde noch hämischer. Ich ignorierte es.
    Ich schaute die leeren DVD-Hüllen an. Reingefallen. Ich holte tief Luft. Dann noch einmal.
    Vielleicht war es, wie es war, ganz in Ordnung so. Ich hatte in den letzten Stunden einiges durcheinandergebracht . Meine beruflichen Angelegenheiten hatte ich vernachlässigt und war stattdessen wie ein Idiot dem großen Mammon nachgejagt. Ich konnte hören, wie die Realität sagte: ›Willkommen in der Realität.‹
    Aus der Richtung des Flurs hörte ich ein leises Winseln. Hannibal. Wahrscheinlich langweilte er sich. Ich sah auf die Uhr. Elf Minuten waren vergangen. Es wurde Zeit zu verschwinden. Ich trat in den Flur. Hanni saß vor der geschlossenen Badtür und versuchte, die Klinke herabzudrücken. Hatte er noch immer gewisse Bedürfnisse? Oder schon wieder? Und wo hatte er das mit der Klinke gelernt?
    Ich drückte die Klinke hinunter und

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