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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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war noch einmal davongekommen. Gerade so.

26
    Ich schaute zu Hannibal. Er lag noch immer unter dem Schreibtisch. Sein Blick war jetzt ausgesprochen hündisch. Sein Glück.
    Hunde sind bei genauer Betrachtung bemitleidenswerte Geschöpfe. Sie haben vier Beine, jede Menge Haare und wenig Gehirn.
    Ihre Probleme allerdings sind einigermaßen überschaubar. Fressen, saufen, Geschäfte machen und sich an irgendeinen Zweibeiner ran hängen, der in der Lage ist, die Probleme zeitlich und materiell zu managen. Von ihrer Warte aus, der Warte der Hunde, sind die Menschen nichts weiter als persönliche Angestellte, die man bei Laune halten muss. Man spielt mit ihnen Apportieren oder kläfft Typen an, die Herrchen bzw. Frauchen nicht leiden kann. Hunde, deren Freund-Feind-Sensoren nicht richtig funktionieren, versuchen das zu überspielen, indem sie immer kläffen.
    Natürlich sehen Leute, die die Leine in der Hand halten, die Sachlage ein klein wenig anders.
    Im Augenblick war ich ganz zufrieden mit der Situation. Von Seiten der Evolution aus betrachtet, mischte ich ganz vorne mit. Ich lief auf zwei Beinen und besaß ein einigermaßen entwickeltes Gehirn, mit dem ich über mich, das Universum und den ganzen Rest nachdenken konnte. Wenn ich dazu Lust hatte. Na schön. Das Nachdenken war selten angenehm, gehörte aber nun mal dazu, also blieb mir nichts weiter übrig, als es zu akzeptieren.
    Ein Vorteil der Spitzenposition war, dass niemand vor mir auf der Evolutionsleiter stand und von oben herab irgendwelche Befehle erteilte wie: Platz! Sitz! Oder: Sei ruhig, du blöder Köter!
    Von Nachteil war, dass auf meiner Sprosse weitere sechs Milliarden herumstanden und ich zusehen musste, wie ich im Chaos des Daseins ohne Hilfe von weiter oben zurechtkam.
    Ehrlich gesagt, ich kam nicht wirklich zurecht, dazu war die Zahl an Problemen einfach zu groß. Und hatte ich ein Problem erledigt, stand schon das nächste bereit. Meist war dieses noch größer als das letzte, was daran liegen mochte, dass ich das letzte falsch angepackt und nur unzureichend erledigt hatte. Bei meinen Evolutionsgenossen schien es nicht viel besser zu laufen. Die meisten Bücher, Theaterstücke und fast alle Filme bestärkten mich in dieser Ansicht.
    Ich dachte jetzt über das nach, was ich dachte. Seltsame Sache. Über das Denken nachzudenken. Fängt man einmal an, in dieser Richtung aktiv zu werden, fällt es schwer, wieder damit aufzuhören, obgleich das Resultat längst feststeht. Es lautet: rasant zunehmende Desillusionierung. Vielleicht gab es deshalb so viele Leute, die gar nicht erst mit diesem nutzlosen Herumgrübeln anfingen, die die Dinge nahmen, wie sie kamen, und sie so hinterließen, wie es ihnen in den Kram passte.
    »Du bescheuerter, unverbesserlicher Moralist«, hörte ich mich sagen. Hannibal hob leicht den Kopf und starrte mich entgeistert an.
    »Nein. Du bist nicht gemeint. Schlaf, du Hund!«
    Hannibal starrte mich weiter an.
    »Ich habe nicht dich beschimpft, sondern mich.«
    Er schien mir nicht zu glauben.
    »Pass auf, Hanni. Ein Moralist ist ein Mensch, ich wiederhole, ein Mensch, der sittliche Grundsätze aufstellt, nach denen, wie er meint, andere sich verhalten sollen. Ich gebe zu, das ist eine sehr verkürzte Definition des Moralisten, aber eine längere Definition würdest du noch viel weniger verstehen. Dazu reicht die Kapazität deines Gehirns nicht aus. Es ist nicht für universelle Dinge wie Sittlichkeit, Unsittlichkeit und Kriminalität ausgelegt. Es ist für gar nichts ausgelegt, na ja, fast nichts. Kapiert?«
    Nein, er kapierte nicht. Wozu auch? Er war nicht dazu geboren, anderen vorzuschreiben, was sie tun oder lassen sollten. Er war dazu geboren, seinem Privatangestellten das Futter abzuringen, Futter in möglichst bester Qualität und möglichst größter Menge. Zu diesem Zweck war er optimal ausgestattet. Hündischer Blick, gequältes Jaulen. Dazu nerviges Herumtollen, das gute Laune demonstrieren und vor allem verbreiten sollte. Ich fiel hin und wieder auf diesen miesen Hundetrick herein. Nur heute würden ihm Anstrengungen in dieser Richtung nichts nützen. Hannibal schien das zu ahnen. Er schloss die Augen.
    Ich schloss auch die Augen. Gleich sah ich klarer. Ich sah den Berg DVDs in Marks Wohnung. Sollte ich Proll meine Erkenntnisse mitteilen oder sie für mich behalten? Hatte Prolls Suchteam das Geld bereits gefunden? Wen konnte ich fragen? Proll ? Ausgeschlossen. Mir blieb nur die Chance, der Sache persönlich auf den

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