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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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stieß die Tür auf. Ich war neugierig, wie Hannibal mit dem Klobecken zurechtkommen würde. Fehler.
    Ich hätte es wissen müssen. Hannibal hatte mir etwas sagen wollen. Ich hatte nicht richtig hingehört. Es war die typische Überheblichkeit des Menschen gegenüber seinen Mitgeschöpfen. Pech für mich. Der Anblick traf mich unvorbereitet. In der Wanne saß ein toter Mann. Das Gesicht war in Ordnung, nur der Hinterkopf fehlte. Nein, es sah nicht gut aus. Vor allem das Muster an der Wand sprach eine deutliche Sprache. Ich schaute mir den Toten genauer an. 25 bis 30 Jahre alt, T-Shirt mit der Aufschrift › Porno-Adorno ‹, Jeans, Walkingschuhe . Dunkle Haare, gegelt . Die rechte Hand umkrampfte eine kleine Pistole. Wieder eine 22er. Jemand schien ein ganzes Arsenal an 22ern zu besitzen! Wer war dieser Jemand?
    Ich durchsuchte die Kleidung des Toten. Kein Ausweis, kein Geld, kein Fahrschein, kein Schlüssel, nichts. Der Mörder hatte den Job bereits erledigt. Gründlich. Nicht mal die obligatorische Krankenkarte hatte der Mörder dem Toten gelassen. Na und, der Mann in der Badewanne würde sie ohnehin nicht mehr brauchen. Seinen Auftritt im Welttheater hatte er hinter sich gebracht.
    Diesmal ließ ich die 22er dem Toten. Erfahrungssache. Ich behielt das Essen bei mir. Gewöhnung. Ich rief nicht die Polizei. Überflüssig. Frau Korn hatte den fälligen Notruf sicher längst abgesetzt. Auf Nachbarn kann man sich verlassen. Zumindest in dieser Beziehung. Ich rief Hanni. Und siehe, Hanni kam.

29
    40 Minuten später saß ich in der Destille ›Mittelstraße 18‹. Weitere 30 Minute später nippte ich bereits an meinem vierten Glas Merlot . Klar, ich kam bestens voran. Hanni lag unter dem Tisch und wälzte ein paar seiner hündischen Gedanken. Wahrscheinlich war er damit nicht gerade überbeschäftigt. Die Langeweile stand ihm ins Gesicht geschrieben. Na und. Was ging mich Hannis Langeweile an? Was ging mich dieser Köter überhaupt an? Er hatte es vermasselt. Gründlich. Wäre er nicht gewesen, hätte ich die Badtür nicht geöffnet. Und hätte ich die Badtür nicht geöffnet, müsste ich nicht in dieser Spelunke sitzen und daran arbeiten, Bilder eines toten Mannes aus dem Gedächtnis zu ätzen.
    Der Wein schmeckte so lala, aber er wirkte tadellos. Ich wurde ruhiger, geradezu gelassen. Das Zittern der Hände hörte langsam auf, im Magen wurde es wärmer und mein Gehirn schaltete Gang für Gang auf Normalgeschwindigkeit zurück. Ich bestellte ein weiteres Glas. Warum nicht, der Tag war gelaufen, also konnte ich ihn auch gleich beerdigen. Mit einer Zwei entsprechend meiner Gass-Skala . Mehr war nicht drin. Selbst mit 1,5 Promille nicht. Prost!
    Ich schaute mich um. Die anwesende Trauergesellschaft sah heute besonders traurig aus. Vier Tische, vier Männer. Keine Frau. Kein Kind. Was war los mit der Welt? Woher kam diese Leere, diese Melancholie? War das Projekt Menschheit gescheitert?
    Wahrscheinlich. Aber noch tickte die Uhr. Warum also stand ich nicht auf und sagte: ›Kommt her, Männer, wir sollten die Vereinzelung überwinden und uns zusammenschließen. Wir sollten miteinander reden, uns austauschen, einander zuhören. Vielleicht könnten wir dann den Konsum an Drinks um ein paar Prozente drücken und hernach endlich nüchtern und bei vollem Verstand die großen und kleinen Probleme offensiv angehen und sie heute oder morgen aus der Welt kicken.‹
    Nein. Ich stand nicht auf und ich hielt auch keine Rede. Ich blieb sitzen und behielt meine edlen Weisheiten für mich. Klar. Wer will schon gern in der Klapper enden oder im Bundestag? Oder als Religionsstifter?
    Ich orderte das nächste Glas. Der Badewannen-Mann wurde langsam blasser. Noch ein, zwei Stunden und er würde ganz verschwinden, und nicht nur er. Eine ganze Reihe anderer Sachen würden auch verschwinden. Zumindest zeitweilig. Ich kannte mich da aus. Ich wusste auch, dass sie nach und nach wieder auftauchen würden. Na und. Für den Moment war ich der Sieger.
    Ich hob das Glas und ließ es irgendwo zwischen Tisch und Unterlippe hängen. Warum? Darum! Zwei Personen betraten den Raum. Die eine Person war ein Mann. Groß, kräftig und leider gutaussehend . Der Kleidung nach zu schließen verfügte er über ein gesichertes Einkommen. Die Person an seiner Seite war eine Frau. Meine Frau. Cleo . Sah ich Gespenster?
    Hannis Gedanken nahmen den kürzesten Weg. Der kürzeste Weg ist der, der keinerlei Spuren eines Zweifels enthält. Hanni kannte keinen Zweifel, deshalb

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