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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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Zwischenstopp in der Anzeigenannahme ein und fragte die Frau hinter dem Tresen, ob ich eine Todesanzeige schalten könnte. Sie sagte ja. Jederzeit. Dann schaute sie traurig und fragte, wer denn gestorben sei? Ich fragte, ob es möglich wäre, meinen eigenen Tod anzuzeigen. Sie sah mich verwirrt an. Ich wiederholte die Frage. Sie sagte, im Prinzip schon, da sie ja meine Angaben nicht überprüfen könne. Nur, wer würde eine solche Anzeige schalten? Niemand. Erstens, weil man seinen eigenen Tod nicht voraussehen könne, es sei denn, man wolle Selbstmord begehen. Wollte ich Selbstmord begehen? Nein, sagte ich, das hätte ich nicht vor. Zweitens, weil es Betrug wäre, und drittens würde es Geld kosten. Ja, sagte ich, im Prinzip würde das niemand machen. Sie nickte ausgiebig dazu. Aber es sei möglich, sagte ich. Es sei allerhand möglich, sagte sie, es sei sogar möglich, sich mit einem Rasenmäher zu rasieren oder aus einem Klobecken Kaffeewasser zu schöpfen. Ich lächelte sie schelmisch an. Sie lächelte nicht zurück. Ob das schon einmal vorgekommen sei, fragte ich sachlich. Das mit dem Rasenmäher oder das mit dem Klobecken, fragte sie. Nein, das mit der fingierten Todesanzeige. In der Fantasie mancher Leute vielleicht, würgte sie hervor. Aber, setzte ich an, sah jedoch ihren Blick und verkniff mir eine Erwiderung. Stattdessen sagte ich ›Auf Wiedersehen‹ und ging.
    Die Brandenburger Straße war wie leergefegt. Wahrscheinlich saß die halbe Stadt bei Kaiser’s im Vorraum und hielt sich an Stehtischen und Bierflaschen fest. Ich würde das überprüfen. Aber nicht jetzt.
    Immerhin. An der Ecke Lindenstraße stand ein Typ. An den Füßen trug er Gummistiefel. Gute Idee. Ich nickte ihm freundlich zu. Fehler. Er trat mir in den Weg. Ich zuckte zurück.
    »Haben Sie Angst?«, fragte er.
    »Wovor?«, fragte ich.
    »Finden Sie das normal?«
    »Was?«
    »Den Regen.«
    »Ach, den Regen. Ja. Finde ich normal«, sagte ich und wollte schnell an ihm vorbei.
    »Aha«, sagte mein Gegenüber und stellte sich mir genauso schnell wieder in den Weg. »Sie finden das also normal? Sie finden normal, dass es seit Tagen regnet, dass die Polkappen abschmelzen, die Stürme zunehmen …«
    »Hören Sie …«
    »Nein. Jetzt hören Sie …«
    »Ja. Ich meine, es hat schon immer geregnet. Mal mehr und mal weniger. Und das mit den Stürmen … Vielleicht haben Sie ja recht.«
    »Natürlich habe ich recht. Wir werden alle ersaufen! Alle!«
    »Was?«
    Ich schaute mich vorsichtig um. Keine Menschenseele.
    »Wollen Sie mir die Schuld daran geben? Ich habe kein Auto, fliege nur hin und wieder mal nach Rom und heize schon lange nicht mehr mit Kohlen … Apropos Kohlen. Fleischerei Nolte. Die Leute dort verpesten im Winter die ganze Innenstadt mit ihrem Braunkohlengestank. Was die zwei Riesenköter verpesten, die auf dem Hof hin und her laufen, will ich gar nicht wissen. Asche, Hundescheiße, ach ja und der Taubendreck. Guten Appetit auch.«
    »Wir werden alle ersaufen«, wiederholte er, ohne auf meine Argumente einzugehen. Es klang, als würde er es sich wünschen. Kannte er Punkt eins meiner ganz privaten Gass-Skala ? Wer war dieser Mensch? Auf die letzte Frage wollte ich gar keine Antwort. Ich wollte weiter.
    »Ich würde mich gern länger mit Ihnen über dieses und andere Probleme unterhalten, aber ich muss … Hier.«
    Ich zog den 500er aus der Hosentasche und hielt ihm den Schein hin. Er griff zu. Ich war schneller.
    »So, so«, sagte ich und ließ den Schein wieder verschwinden. »Sie sind mir ja ein seltsamer Heiliger.«
    »Hektik, Stress, Herzinfarkt!«
    »Wie bitte?«
    »Niemand nimmt sich mehr Zeit für die wichtigen Dinge des Daseins. Geld verdienen, Geld ausgeben, verrecken.« Er schaute mich mitleidig an. »So läuft das.«
    Hinter dem Mann tauchte plötzlich eine Frau auf.
    »Komm, Lars! Wir verschwinden«, sagte sie. »Genug geprobt. Du holst dir ja noch den Tod wegen dieses verdammten Lears.«
    »Lear?«, fragte ich.
    »Lear, ja. Lars ist Schauspieler. Sie sollten ihn kennen. Oder gehen Sie nicht ins Theater?«
    Die Frau schaute mich aufmerksam an.
    »Doch, schon.«
    »Sie haben noch nie eine Theateraufführung gesehen, richtig?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Hast recht, Nadja, lass uns verschwinden. Kein Publikum, nur dieser Ignorant und dieses ekelhafte Wetter.«
    »He, ich bin kein Ignorant. Ich bin …«
    Sie gingen. Im Weggehen schaute sich der Typ noch einmal um. »Besorgen Sie sich ein Boot, denn ich sage Ihnen, wer

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