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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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Tricks.«
    Er sah aus, als wäre er zu allem entschlossen, also blieb ich stehen.
    »Wie kommen Sie an eine Mordwaffe?«, fragte er.
    Gute Frage. Wahrscheinlich war das die einzig mögliche Frage, die er in seiner Situation stellen konnte und er stellte sie.
    »Das wollen Sie gar nicht wissen!«
    »Doch. Berufsinteresse.«
    Weshalb hatte ich dieses Thema angeschnitten? Klar. Ich hatte indirekt an sein Du-sollst-nicht-töten-Wertebewusstsein appellieren wollen, an seine Moral, Ethik, sein soziales Gewissen. Fehler.
    »Ihre Fingerabdrücke sind jetzt auf der Waffe«, spann ich den einmal aufgedröselten Faden weiter. »Die Kripo mag solche eindeutigen Beweise. Da wird nicht mehr nach Motiven und ähnlichen Kleinigkeiten gesucht. Nach einem möglichen Alibi schon gar nicht.«
    Brand schien halbwegs beeindruckt. Also machte ich weiter.
    »Machen Sie sich nicht unglücklich für den Rest Ihres armseligen Schreiberlebens. Geben Sie mir die Waffe.«
    »Woher wissen Sie, dass jemand mit der Waffe ermordet wurde? Wenn Sie das wissen, dann müssen Sie dabei gewesen sein. Oder haben Sie etwa selbst …« Die Frage und die halbe Antwort kamen von Anne Klein. Logisch lag sie richtig. Inhaltlich lag sie daneben. Wahrscheinlich würde ihr das schwer zu vermitteln sein.
    »Sie hat recht.« Jetzt schien auch Brand sich für Anne Kleins Gedankengang zu erwärmen.
    »Es kommt ja noch viel besser. Ich habe die Waffe unter Ihrer Badewanne gefunden. Das heißt …« Er drehte noch weiter an der Schraube.
    »Ich habe die 22er sichergestellt«, gab ich zurück.
    »Weiß das auch die Polizei?«
    Brands Stimme klang jetzt höhnisch.
    »Ja, natürlich. Was denken Sie denn? Ich arbeite eng mit der Polizei zusammen. Was machen Sie überhaupt hier? Sie erzählen mir, dass diese Frau Sie verfolgt, Sie engagieren mich als Privatdetektiv, damit ich Sie Ihnen …«
    »Stop, stop, stop«, schrie Brand.
    »Sie sind Privatdetektiv!«, Anne Kleins Stimme überschlug sich.
    Ich hörte nicht auf Brand, ich sagte:
    »Sie, Herr Brand, Sie sind hier der Kriminelle …«
    Ich ging zum Angriff über. Verbal. Ich hoffte, Brand würde die Nerven behalten. Falsch gedacht. Er machte den Finger krumm. Unglaublich. Klar, er wollte nicht, dass ich weiter aus dem Nähkästchen plauderte. Aber musste er gleich zu den drastischen Mitteln greifen? Worum ging es denn? Es gab keine Leiche, es gab keine Geld-Geschichte. Die Problemlage war zwar prekär, aber nicht aussichtslos.
    Ich konnte sehen, wie Brands Zeigefinger sich weiter krümmte. Mir wurde heiß, sehr heiß. Brand erhöhte den Druck. Ich ließ mich fallen. Keine Sekunde zu spät. Die 22er ging los. Das Projektil schwirrte über mich hinweg und verschwand in der Ecke mit der Weltliteratur.
    »Herr Brand, machen Sie keinen Unsinn! Geben Sie mir die Waffe! Noch ist nichts passiert.«
    Ich lag auf dem Boden und erwartete den zweiten Schuss. Kein schöner Abschluss eines halbwegs erfüllten Erdenlebens. Plötzlich hatte ich großes Verlangen nach allerhand anderen Geräuschen. Nach dem Gesang der Vögel an erster Stelle. Seltsam, ich hatte mir nie viel aus all dem Gepiepse und Gekreische gemacht. Und plötzlich … Sentimentalitäten, sagte ich mir, aber das Verlangen wollte nicht weichen. Im Gegenteil. Es weitete sich auf andere Bereiche aus. Essen, Weintrinken und Filme gucken.
    Die Ladentür wurde geöffnet. Dann wieder geschlossen. War jemand gekommen? War Brand gegangen? Beide Varianten waren gut, die zweite war besser.
    »Brand? Sind Sie noch da? Frau Klein? Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Sie können aufsteh’n . Er ist weg.«
    »Wie weg?«
    »Na eben weg.«
    Anne Kleins Stimme klang wie der Gesang eines Rotkehlchens. Jedenfalls in meinen Ohren. Ich würde gar nicht erst in den Wald gehen müssen. Jedenfalls nicht heute. Was ich fürs Erste brauchte, fand ich hier. Den Rest konnte ich ein andermal nachholen. Irgendwann. Ich hatte noch Zeit. Sehr viel Zeit.
    Ich stand auf und checkte die Lage. Personen, zwei. Stimmung, schlecht. Lebensgefahr, gering. Ich schaute mir die Einschussstelle an. Dostojewski, ›Schuld und Sühne‹. Volltreffer.
    Ich verarbeitete die Daten, steckte das verwundete Buch ein und entspannte langsam.
    Ich trat auf Anne Klein zu. Annes Gesicht war völlig farblos, bis auf die nachgezogenen Augenbrauen. Der rechte Arm hing teilnahmslos am Körper herab. Am Zeigefinger der rechten Hand baumelte die 22er.
    »Wie kommen Sie zu der Waffe?«
    »Er … Er hat sie mir gegeben. Schenke ich Ihnen,

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