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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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ich.

39
    1997 hatte ich während eines Besuchs des Louvre vor Géricaults visionärem Bild ›Das Floß der Medusa ‹ gestanden. Zu viele Menschen auf viel zu kleinem Raum, eine lebensfeindliche Umwelt, Essen null, na ja, nicht ganz null. Beste Voraussetzungen für einen erbitterten Kampf jeder gegen jeden.
    Seit der Erschaffung des Bildes um 1819 war das Floß größer und größer geworden. Es hieß jetzt ›Landmasse der Erde‹.
    In ein paar Jahren würden neun oder zehn Milliarden von meiner Art hier herumlaufen. Woher würde dann die Rettung kommen?
    Wahrscheinlich lief es auf einen Konstruktionsfehler im Bauplan des Homo sapiens hinaus. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war die scheinbare kollektive Ignoranz der heraufziehenden Katastrophe nur der Ausdruck höchster Gelassenheit. Hatte nicht der alte Buddha seinen Zuhörern gesagt, befreit euch vom Nachdenken, dann klappt es auch mit dem Erlöschen? Na gut. Vielleicht sah ich die Sache ein bisschen zu simpel, aber gerade die Einfachheit schien mir das überzeugendste Argument für die Richtigkeit der Buddha-These zu sein.
    Ich sah mich um, Regen und Tristesse.
    Ich betrat rasch die Friedrichgalerie und entkam so meinen zunehmend düsteren Gedanken. Zuvor war ich Horst und Hermann entkommen. Wie? Vielleicht würde es ja morgen in der Zeitung stehen.
    Ich durchquerte den überdachten Lichthof, betrat die Arkadenfront in Richtung Platz der Einheit, enterte den Eingang zu den Büroetagen und orderte den Lift. Ich zog die Zeitung hervor, warf noch einen Blick auf den Artikel, betrat mit neu aufkeimender Wut den Lift und ließ mich zur Etage, in der die Macher der PNZ residierten, transportieren. Es wurde Zeit für die Entscheidungsschlacht. Mein Plan ging so: Erstens Überraschungsangriff, zweitens unaufhörlicher Argumentationsbeschuss, drittens Siegesfeier. Es galt.
    Ich stieß die Haupttür zu den Büroräumen auf und betrat einen Flur. Links befand sich die Anmeldung. Das freundliche Gesicht einer jungen Frau starrte mir erwartungsfroh entgegen. Ich hob nur lässig die Hand und stürmte vorbei. Am Ende des Ganges weitete sich der Flur zu einem Großraumbüro. Sehr gut. Für meinen Auftritt konnte ich Publikum gebrauchen.
    »Wo ist Brand?«, fragte ich in das erstbeste Gesicht hinein, erhielt aber keine Antwort. Ich hastete weiter zwischen den mit Computern bestückten Schreibtischen hindurch.
    »Brand, kommen Sie raus aus Ihrem Versteck. Sie Ratte, Sie Regenbogen-Journalist!!« Es wirkte. Etwa 30 Augen sahen aus etwa 15 blassen Gesichtern zu mir auf.
    »Brand ist da hinten, in der Ecke, gleich neben den Tischen der Kulturredaktion«, sagte eine nette Stimme neben mir. Ich drehte mich um. Es war die junge Frau vom Empfang.
    »Danke«, sagte ich.
    »Nichts zu danken«, sagte sie. »Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Sie schaute mich prüfend an. »Finden Sie den Weg allein oder soll ich Sie begleiten?«
    »Danke. Ich finde den Weg.«
    Sekunden später entdeckte ich Brand. Er saß in einem schwarzen Bürostuhl, starrte auf einen Monitor und hackte mit dem Mittelfinger der rechten und dem Zeigefinger der linken Hand auf die vor ihm liegende Tastatur ein.
    »Hier bin ich«, sagte ich.
    »Habe Sie bereits erwartet. Bin gleich soweit«, knurrte er in meine Richtung.
    Ich zog den Stecker des Monitors aus der Dose. Brand hackte weiter. Er versuchte, Zeit zu gewinnen. Nicht mit mir. Ich zog die Zeitung hervor und schleuderte sie ihm hin.
    »Ich werde Sie drankriegen, wegen Stalkings , wegen illegalen Waffenbesitzes und wegen Täuschung der öffentlichen Meinung. Das verspreche ich Ihnen.«
    Brand schob jetzt langsam die Tastatur beiseite.
    »Ich werde Sie fertig machen. Selbst Hartz IV wird Ihnen danach vorkommen wie ein Zustand unendlicher Glücksseligkeit«, knödelte er leise aus den Mundwinkeln hervor.
    Laut sagte er: »Ah, Herr Gass , Sie haben ein Problem mit meinem Artikel. Das tut mir herzlich leid. Aber ich habe nur das im Text verarbeitet, was Sie mir erzählten. Dazu die Rechercheergebnisse. Leider ist es häufig so, dass die Porträtierten sich missverstanden fühlen. Jeder der hier Anwesenden kann ein Lied davon singen. Das liegt in der Natur der objektiven Berichterstattung. Diese steht häufig der subjektiven Selbsteinschätzung diametral gegenüber.«
    Er lächelte sanft in die Runde. Ein paar der Anwesenden nickten. Die Mehrheit allerdings nickte nicht.
    »Darf ich vorstellen? Privatdetektiv Siegfried Gass «, sagte er in

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