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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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Menschenbild ganz zu schweigen«, fauchte sie.
    Ich schwieg.
    »Was würden Sie an meiner Stelle tun?«, fragte sie endlich.
    »Toskana«, sagte ich und ließ sie mit Wunderlich und Hund allein.

37
    Ich trat aus dem Kino und starrte in den grauen regenverhangenen Himmel. Apropos Toskana, dachte ich. Dann kam mir der 500er in den Sinn. Mir wurde wärmer.
    Ich ignorierte den Regen, überquerte die Straße, ließ den Döner-Grill links liegen, bog in die Brandenburger Straße ein und betrat rechter Hand den Pizzaladen ›Pfeffer und Salz‹. Ich setzte mich an einen der hinteren Tische, starrte die Wand oberhalb der Fußleiste an und versuchte, an nichts zu denken. Ich kam ganz gut damit zurecht.
    Ich bestellte Pizza und ein Glas Roten, dann machte ich mit dem Nichtdenken weiter. Langsam fühlte ich mich fabelhaft. Ich sackte tiefer und tiefer in mich hinein. Hier und da krochen ein paar destruktive Gedanken hervor, unternahmen den Versuch, irgendwo anzukoppeln. Ich wehrte sie ab. Wenn man Ruhe finden will, dann kann man sie nur in sich selbst finden. Ich weiß, das klingt nach Mondvogelesoterik oder Yogaweltflucht. Na und, für mich stimmte der Satz. Jedenfalls im Augenblick.
    »Ist hier noch frei?«, fragte eine männliche Stimme. Ich sagte ohne aufzuschauen: »Nein.«
    »Also, ich bitte Sie«, sagte die Stimme. »Hier ist doch reichlich Platz.«
    »Nein«, wiederholte ich mit unveränderter Stimme. Gelassenheit drückt sich vor allem im Ton aus. Ich blieb gelassen.
    Ich blinzelte nach oben und sagte noch einmal ›Nein‹. Ich schaute genauer hin und sagte ›Ja‹. Zu spät. Jauch wandte sich bereits einem anderen Tisch zu. Auch gut. Wahrscheinlich hatte ich mir eine anstrengende Konversation erspart. Es war schon anstrengend, ihm beim Geldverteilen zuzuschauen, wie anstrengend musste es erst sein, mit ihm persönlich zu reden? Und worüber sollte man überhaupt mit einem wie Jauch reden? Über Grundbesitz am Heiligen See? Über Werbeverträge? Über Fernsehformate? Über Nachbarschaftsprobleme mit Joop? Über Ärger mit dem Amt für Denkmalpflege? Das waren alles Sachen, von denen ich keinen Schimmer hatte. Vielleicht musste man diese Leute kommen lassen. Etwa so. Ich: ( räusper , räusper , räusper ). Jauch: Ahhh . Was machen Sie beruflich? Ich: Na ja. Das interessiert Sie doch nicht wirklich, Herr Jauch. Jauch: Aber ja. Warum sollte mich das nicht interessieren? Wenn es mich nicht interessieren würde, würde ich nicht fragen. Ich: Ich muss aber nicht drauf antworten. Oder? Wir sind ja hier nicht im Fernsehen. Jauch: (lachend) Gott sei Dank nicht, nein. Aber Sie machen mich neugierig. Ich: Wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Ich bin Privatdetektiv. Jauch: (sehr laut, so dass sich alle im Lokal anwesenden Gäste nach unserem Tisch umwenden) Privatdetektiv! Das ist … Sie schickt der Himmel. Ich habe da ein ganz spezielles Problem. Meine Produktionsfirma … usw. usf.
    Aus der Traum.
    Ich griff zur nächstbesten Zeitung und nahm mir den Polizeibericht vor. Der Polizeibericht ist das eigentliche Aushängeschild einer Stadt. Quasi der Seismograph des Zustandes eines Gemeinwesens. Komme ich in eine andere Stadt, schaue ich mir in der örtlichen Presse zunächst den Polizeibericht an. In Städten wie Hamburg oder Berlin liest sich der Bericht wie eine Liste der aktuellen Hochkriminalität. Neueste Drogen, neueste Schleuser- und Tötungspraktiken, hippe Sozialkonflikte. Was jetzt vor mir lag, erreichte gerade mal Kleinstadtniveau.
    Im Zentrum Ost war ein Taxifahrer mit einer Bierflasche am Kopf verletzt worden. Der 63-Jährige hatte sein Auto verlassen, Streit gesucht und Streit gefunden. Anschließend wurde er vom herbeigerufenen Notarzt versorgt. Der Taxifahrer konnte nach der Notversorgung seinen Dienst wieder aufnehmen.
    Am Stern entriss ein etwa 20-jähriger Mann einer 74-Jährigen die Handtasche. Infolge der Attacke stürzte die alte Dame und erlitt leichte Verletzungen am Fußgelenk. Die Beute: 13 Euro und eine Lesebrille.
    Die Kurzberichte ›Betrunkener Radfahrer gefasst‹ und ›Einbruch in Blumenladen‹ überging ich.
    Was war los mit dieser Stadt? Eine Notiz wirkte wie ein kleiner Lichtblick. Bei einem Bruch in ein Bürogebäude war es zu einem Schaden von 15.000 Euro gekommen. Ich dachte an mein Bett und die darin verborgenen 15.000. Ich lächelte.
    Dann nahm ich mir den nächsten Artikel vor und lächelte nicht mehr. Kein Wunder. Der Artikel lautete »Bürger aus unserer Mitte«. Untertitel

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