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Hundeleben

Titel: Hundeleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Zander
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wieder stellte er Fragen.
    ›Wie bitte?‹ und ›Was haben Sie da gesagt?‹ kamen am häufigsten vor. Andere wieder lauteten: ›Er hat sich knebeln lassen?‹, ›Was, er hat auf Sie geschossen?‹ oder ›Eine Todesanzeige in unserer Zeitung?‹. ›Sind Sie ganz sicher?‹ kam etwa drei Mal vor. Ich antwortete auf diese Frage drei Mal mit ›Ja‹. Die anderen Fragen beantwortete ich, so gut es ging.
    Dann schwieg ich. Der Chefredakteur und Brand schwiegen auch. Im Hintergrund wurde eifrig geflüstert.
    Dann sagte Brands Chef: »Na so was.« Und schließlich: »Jetzt sind Sie dran, Herr Brand.« Ich wusste, was kommen würde, also hörte ich gar nicht erst hin. Stattdessen schaute ich mich um. Die 30 Augen waren noch immer auf uns gerichtet. Ganz in der Nähe stand die junge Frau vom Empfang. Sie reckte ihren Daumen nach oben, als ich sie ansah. Nanu. Das wievielte Opfer war Anne Klein? War Brand ein Wiederholungstäter? Von Serienmördern hatte ich schon gehört, aber von Serienstalkern ? Gab es die überhaupt?
    »So«, hörte ich den Schlipsträger jetzt murmeln. »So, so.«
    Brand grinste zu mir herüber. Ich grinste nicht zurück.
    »Sie haben also Herrn Gass etwas vorgespielt, um ihn aus der Reserve zu locken?«
    »Ja. Ich wollte ein genaues Berufs- und Charakterbild. Das sind wir unseren Lesern doch schuldig. Oder? Und um das zu bekommen, musste ich nachhelfen, eine Situation schaffen …«
    »Mit anderen Worten, die Stalkinggeschichte war nur vorgeschoben?«
    »Ja. Es tut mir leid.«
    Brand machte auf zerknirscht. Er war gut darin. Wahrscheinlich machte er das nicht zum ersten Mal.
    »Warum dann die Todesanzeige?«
    »Wegen des Echtheitsanstrichs. Ich musste Herrn Gass glauben lassen, dass Anne Klein …«
    »Verstehe«, sagte sein Chef. »Und weshalb haben Sie geschossen?«
    »Ich kam versehentlich an den Abzug. Ich konnte doch nicht wissen, dass die Waffe geladen … «
    »Lügner!«, unterbrach ich ihn.
    »… und mit ihr ein Mord verübt worden war. Schließlich fand ich sie unter der Badewanne im Bad unseres Herrn Privatdetektivs. Lässt man da eine Mordwaffe liegen? Nein. Es sei denn …«
    Brands Kalkül schien aufzugehen. Selbst auf den Hinterbänken, in der Praktikantenecke und in der Nähe des Kaffeeautomaten verstummten die Gespräche. Jemand stellte sogar den Reißwolf ab. Alle starrten plötzlich mich an. Wieso? Brand war der Stalker , er war es, der im Buchladen geschossen hatte. Wie lange funktioniert das Gedächtnis der Leute? Fünf Minuten? Zehn Minuten? Gibt es überhaupt so etwas wie ein Gedächtnis für Tatsachen?
    Na schön, Brand hatte teilweise recht. Kein vernünftiger Mensch verbarg eine Mordwaffe unter einer Badewanne. Andererseits traf auch zu, dass niemand unter fremde Badewannen schaute, um dort eine Mordwaffe zu finden. Vom Mitnehmen einer solchen ganz zu schweigen.
    »Wie kommen Sie an eine Mordwaffe, Herr Gass ? Soweit uns die Polizei unterrichtete, wurde bei dem Mord an Mark Müller keine Waffe am Tatort entdeckt. Und das ist der einzige Mord, der in Potsdam seit einem Jahr passiert ist. Oder haben wir da etwas verpasst?«
    Ich hätte dem Chefredakteur jetzt erzählen können, dass er tatsächlich was verpasst hatte, dass er nicht auf dem neuesten Stand war. In punkto Potsdamer Mordstatistik. Aber was hätte das geändert? Mit seiner Frage in Sachen Mordwaffe lag er goldrichtig.
    »Sie haben sich strafbar gemacht.«
    »Oh. Na ja.«
    »Das wirft kein gutes Licht auf Ihre Arbeit.«
    »Jemand wollte aus dem Mord einen Selbstmord machen. Ich musste verhindern, dass die Polizei die Kröte schluckt.«
    »Ihr Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Kriminalpolizei scheint nicht sonderlich ausgeprägt zu sein. Ob zu Recht oder zu Unrecht, das kann ich nicht beurteilen. Trotzdem denke ich, Sie haben das Falsche getan.«
    Meines Erachtens kamen wir jetzt sehr weit vom Thema ab. Ich war hier, um Brand fertig zu machen. Ich war nicht hier, um mich fertig machen zu lassen.
    »Ich glaube, Sie haben da etwas missverstanden, Herr …«
    »Sprengkamp.«
    »Herr Sprengkamp. Ich bin nicht hier, um mich zu rechtfertigen. Ich bin hier, um die Rechnung zu präsentieren!«
    Ich warf Brand die Abrechnung hin. Ich hatte an die Zahl noch eine Null angehängt. Damit sah sie fast furchterregend aus. Sollte sie auch. Mal sehen, ob Brand zahlen würde. Wahrscheinlich nicht.
    »Und ich bin hier, um diesem, diesem sauberen Herrn klarzumachen, dass er in allernächster Zeit eine Klage am Hals haben

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