Hundert Jahre Einsamkeit
und ihn mit Blumenwasser beträufelte, damit sein Körper und seine Kleider den Duft eines Papstes bekämen. Im Innenhof von Castelgandolfo hatte er den Papst auf einem Balkon gesehen, wie er vor einer Pilgerschar dieselbe Rede in sieben Sprachen hielt, und das einzige, was ihm tatsächlich auffiel, war das Weiß seiner Hände, die in Lauge gebeizt schienen, der betörende Glanz seiner Sommergewänder und sein verborgener Kölnischwasseratem. Fast ein Jahr nach seiner Rückkehr ins Haus, als er, nur um essen zu können, bereits die silbernen Kandelaber und den wappengeschmückten Nachttopf verkauft hatte, bei dem in der Stunde der Wahrheit nur die eingelegte Wappenzier aus Gold war, bestand José Arcadios einziger Zeitvertreib darin, Kinder im Dorf einzusammeln und sie zum Spielen mit nach Hause zu nehmen. Er erschien mit ihnen während des mittäglichen Schlummerstündchens, ließ sie im Garten Seil hüpfen, in der Veranda singen und auf den Eßzimmermöbeln Kletterkunststücke vorführen, während er zwischen den Gruppen umherging und Anstandsunterricht erteilte. Zu jener Zeit hatte er die engen Hosen und das Seidenhemd abgelegt und trug nun in Araberläden erstandenes gewöhnliches Zeug, ohne jedoch seine schmachtende Würde und sein päpstliches Gebaren aufgegeben zu haben. Die Kinder beschlagnahmten das Haus so, wie es Memes Schulkameradinnen in der Vergangenheit getan hatten. Noch nach Einbruch der Nacht hörte man sie umherrennen und singen und stepptanzen, so daß das Haus einem disziplinlosen Internat glich. Aureliano kümmerte sich nicht um die Invasion, solange sie ihn in Melchíades' Kammer nicht störte. Eines Morgens stießen zwei Kinder die Türe auf und erschraken über den Anblick des schmierigen, bärtigen Menschen, der an seinem Arbeitstisch unablässig Pergamente entzifferte. Zwar wagten sie nicht einzutreten, umschlichen aber weiterhin die Behausung. Tuschelnd spähten sie durch die Spalten, warfen lebende Tiere durchs Oberlicht und nagelten sogar einmal von außen Tür und Fenster zu, so daß Aureliano einen halben Tag brauchte, um sie von innen aufzuzwingen. Übermütig geworden von ihrem ungestraften Treiben, drangen eines neuen Morgens vier Kinder in die Kammer ein, während Aureliano in der Küche war, entschlossen, die Pergamente zu vernichten. Doch sobald sie sich der vergilbten Blätter bemächtigt hatten, hob Engelskraft sie vom Boden auf und hielt sie schwebend in der Luft, bis Aureliano zurückkehrte und ihnen die Pergamente entriß. Fortan störten sie ihn nicht mehr.
Die vier größeren Knaben, die trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch kurze Hosen trugen, sorgten für José Arcadios persönliches Wohlergehen. Sie kamen früher als die anderen und nutzten den Vormittag, ihn zu rasieren, ihn mit heißen Tüchern zu massieren, ihm Finger- und Fußnägel zu beschneiden und ihn mit Blumenwasser zu parfümieren. Bei mehreren Gelegenheiten stellten sie sich in die Badezisterne, um ihn von Kopf bis Fuß einzuseifen, während er halb auf dem Rücken schwamm und an Amaranta dachte. Dann trockneten sie ihn ab, puderten seinen Körper und zogen ihn an. Einer der Jungen mit einem blonden Wuschelkopf und rosafarbenen Kaninchenaugen übernachtete dann meistens im Haus. Er war José Arcadio so eng verbunden, daß er dessen asthmatische Schlaflosigkeit teilte und wortlos mit ihm durch das finstere Haus wanderte. Eines Nachts sahen sie in Ursulas einstigem Akoven einen gelblichen Glanz durch den zu Kristall gewordenen Zementfußboden, als habe eine unterirdische Sonne den Schlafzimmerboden in Glas verwandelt. Sie brauchten kein Licht zu machen. Sie brauchten nur die zerbrochenen Platten des Winkels, in dem Ursulas Bett gestanden hatte und wo der Glanz am stärksten war, aufzuheben, um die geheime Krypta zu finden, nach der Aureliano Segundo in seinem Ausgrabungswahn bis zur Erschöpfung gefahndet hatte. Dort lagen die drei mit Kupferdraht verschlossenen Segeltuchsäcke und darin die siebentausendzweihundertundvierzehn Dublonen in Viererreihen, die in der Dunkelheit wie Glut leuchteten.
Der Fund des Schatzes wirkte wie eine Feuersbrunst. Statt dem im Elend gereiften Traum gemäß mit dem ungeahnten Vermögen nach Rom zurückzukehren, verwandelte José Arcadio das Haus in ein dekadentes Paradies. Er ließ die alten Samtvorhänge und den alten Schlafzimmerbaldachin erneuern und das Bad mit Boden- und Wandfliesen auslegen. Die Kredenz des Eßzimmers füllte sich mit kandierten Früchten, mit
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