Hundert Namen: Roman (German Edition)
ausgestreckter Hand ging Jedrek auf den Mann zu. Der Rekordrichter sah sich argwöhnisch um, als hätte er den Verdacht, einem Scherz auf den Leim gegangen zu sein, aber dann merkte er doch, wie ernst Jedrek sein Anliegen war, und schüttelte ihm die Hand.
»Mr Rekordrichter«, sprach Jedrek ihn hochachtungsvoll an, als wäre er ein Mitglied der königlichen Familie, und musterte den Mann fast ehrfürchtig. »Wir sind weit gereist, um Sie zu treffen. Ich und meine Freunde.«
Wieder betrachtete der Richter die Gruppe, die ihn umringte.
»Hm, hallo«, erwiderte er dann etwas unsicher. »Mein Name ist James.«
»James!«, rief Jedrek, als wäre der Name selten und faszinierend. »Ich bin Jedrek Vysotski, das hier ist mein Freund Achar, und das ist Kitty Logan, die bekannte Journalistin. Wir haben das große Glück, dass sie vorhat, über uns einen Artikel zu schreiben.« Kitty nickte enthusiastisch, und James brachte ein weiteres verlegenes Hallo heraus.
»James«, mischte sich ein Mann hinter ihm ein. »Wir wollen jetzt anfangen.«
»Okay, nur noch einen Moment bitte«, sagte der Richter und wandte sich, nun doch interessiert, wieder Jedrek zu.
»Wir, also Achar und ich, wollen einen Rekordversuch machen«, erklärte dieser. »Es geht um einen Zweimann-Tretboot-Sprint über eine Strecke von hundert Metern. Der derzeitige Rekord liegt bei einer Minute achtundfünfzig Komma sechs zwei Sekunden, und Achar und ich schaffen es in einer Minute fünfzig. Wir starten heute. In Cork. Und wir würden Sie gern als unseren Rekordrichter einladen.«
Diesmal unterbrach sie ein Ei. »Wir sind jetzt bereit, James.«
»Okay, nur eine Sekunde«, rief James ein wenig panisch.
»Wir werden Sie auch bestimmt nicht enttäuschen, James«, drängte Achar.
Jedrek legte seinem Freund beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Lass den Mann doch erst mal antworten.«
»Danke«, sagte James, dem bereits der Schweiß auf der Stirn stand. »Ich fürchte, ich kann nicht zu Ihrem Event kommen, so reizvoll es auch klingt«, erklärte er mit einem ausgeprägten britischen Akzent. »Aber Sie haben Ihr Vorhaben doch bestimmt schon regelgemäß bei den Guinness World Records registrieren lassen, oder nicht?«
»Aber ja, das haben wir«, beteuerte Jedrek eifrig.
»Und was hat man Ihnen dort mitgeteilt?«
»Man hat uns die Kosten für das Einfliegen eines Rekordrichters genannt, und die konnten wir uns leider nicht leisten«, antwortete Achar sofort, sehr zu Jedreks Ärger. »Deshalb haben wir Sie ja hier aufgesucht. Wir sind zu Ihnen gekommen, damit Sie nicht extra zu uns kommen müssen«, fuhr er fort, als hätten sie James damit einen großen Gefallen erwiesen.
»Tut mir sehr leid, Gentlemen, aber ich fürchte, so funktioniert das nicht«, meinte James.
»Die beiden trainieren seit Monaten«, mischte Archie sich ein. »Sie könnten doch einfach vorbeikommen und zuschauen«, schlug er vor, allerdings nicht so zuvorkommend wie die anderen, sondern eher drohend.
Sofort schaltete Eva sich ein. »Wir sind morgen um vierzehn Uhr am Kinsale-Pier, Sie müssten den Rekordversuch einfach nur beobachten, den Rest der Arbeit erledigen die beiden Kandidaten. Meinen Sie, das wäre möglich?«
»Ich fliege morgen früh nach London zurück –«
»Können Sie nicht umbuchen?«, fiel Sam ihm ins Wort.
»Ich übernehme die zusätzlichen Kosten«, mischte auch Kitty sich ein. »Diese beiden Männer haben es wirklich verdient, dass Sie sich ihren Rekordversuch anschauen«, drängte sie.
»Sie sind nämlich unglaublich gut drauf«, rief Regina von außerhalb des Kreises. »Wir glauben alle fest an sie.«
»Ich bezahle Ihr Honorar«, sagte Birdie plötzlich, und alle sahen sie verblüfft an.
»Nein, nein«, protestierten Achar und Jedrek. »Das ist viel zu viel, das können wir nicht zulassen.«
»Ab heute kann ich bezahlen, was immer ich will«, verkündete Birdie mit einem verschmitzten Lächeln und sah den Rekordrichter an. »Nennen Sie mir Ihren Preis, und ich bezahle ihn«, sagte sie selbstbewusst.
»Es geht mir nicht um das Honorar«, sagte James, der immer mehr ins Schwitzen geriet. »Es geht mir ausschließlich ums Protokoll. Ihr Rekordversuch muss schon im Vorfeld genehmigt sein, damit ich das Zertifikat vorbereiten kann …«
»Ach, das Zertifikat können Sie uns einfach schicken, wenn es fertig ist«, unterbrach ihn Achar. »Sie brauchen es uns nicht gleich morgen zu geben.«
Auf einmal fingen alle an, auf den armen Mann einzureden.
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