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Hundert Tage: Roman (German Edition)

Hundert Tage: Roman (German Edition)

Titel: Hundert Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Bärfuss
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gutem Willen als Entenkopf erkennen konnte. Ermutigt fuhr ich fort, setzte ein Augenpaar aufs Papier, von geschwungenen Brauen überspannt, deutete die Haare an, Sommersprossen, und weil ich nicht wusste, wie ich die hellen Augen darstellen sollte, setzte ich einen Steckbrief auf. Geschlecht weiblich, Name unbekannt, Alter Mitte zwanzig, Größe eins siebzig, gepflegt, von stolzem Wesen. Am darauffolgenden Samstag fuhr ich in aller Frühe nach Butare, ging zurück ins Ibis, streunte in der Stadt herum, zeigte allen möglichen Leuten meine Zeichnung, aber keiner erkannte darin die Frau, die ich suchte.
    Ja, gut, ich gebe zu, es war eine miserable Zeichnung, selbst ich sah kaum eine Ähnlichkeit, und ich hätte ihnen genauso gut ein Bild von Daisy Duck zeigen können. Die meisten hielten mich für einen Verrückten, aber nur die Kinder waren so ehrlich, mich offen auszulachen.
    Weil ich in Butare keinen Erfolg hatte, setzte ich meine Suche in Kigali fort, verbrachte Abend für Abend in den Nachtclubs, obwohl ich es für ausgeschlossen hielt, dass sie eine
Femme libre
war, die in kurzem Rock und mit gelangweiltem Gesicht nach einem heiratswilligen Umuzungu Ausschau hielt. Aber es war ein bisschen wie in diesem Witz: Ich suchte dort, wo es am hellsten war, und bald diente mir die Suche bloß als Vorwand, damit ich in den Nachtclubs abhängen konnte, es gab genug andere Frauen, die sich für mich interessierten.
    Und ich traf dort auch Missland wieder, jenen Mann mit dem Pferdeschwanz, der mich damals am Flughafen erwartet hatte. Er trug jetzt Silberschmuck, und seine kleinen wachen Augen spähten unaufhörlich nach einem Abenteuer. Er hatte etwas von einem alten Indianer, allerdings nur so lange, bis er seinen Mund aufmachte. Dann klang er wie ein Landsknecht. Ich ließ mich von ihm in Lokale mitschleppen, in die ich mich alleine niemals gewagt hätte, aber im Grunde mochte ich ihn nicht, vor allem nicht seine Reden über Gott und den Zustand der Welt, über die politischen Verhältnisse und irgendwelche Verschwörungen irgendwelcher geheimer Kreise, die er überall vermutete. Am liebsten allerdings sprach er über die Qualität der Ärsche im Chez Lando, wo ein ständiger Nachschub an Frischfleisch die Europäer versorgte, und Missland nahm sich das Recht heraus, die besten unter ihnen vorzukosten. Er war vor fünf oder sechs Jahren als Experte der Direktion ins Land gekommen, in welcher Funktion, erfuhr ich nicht, auch nicht, ob er selbst gekündigt oder man ihn rausgeschmissen hatte, was wahrscheinlicher war. Wenn im Koordinationsbüro zufällig sein Name fiel, verdunkelten sich die Gesichter, und man wechselte schnell zu einem anderen Gesprächsthema.
    Missland war zum dritten Mal mit einer Frau aus Kigali verheiratet. Die Ehe verstand er als Entwicklungshilfe und er fand es ungerecht, nur einer Frau diese Möglichkeit vorzubehalten. Dies hinderte ihn allerdings nicht daran, sich daneben einen Harem zu halten, der oft Anlass wüster Szenen war. Sie sind nur hinter meinem Geld her, seufzte er manchmal, aber ich tröste mich mit dem Wissen, dass es allen Abazungu gleich ergeht. Oder glauben Sie, man begrüße Sie und die anderen Kerle von der Direktion mit einem Hofknicks, weil man Sie für tolle Kerle hält?
    Seine Liederlichkeit warf ein schlechtes Licht auf alle Internationalen, besonders aber auf die Schweizer. Wir waren hier, um durch unsere Arbeit Spuren zu hinterlassen: Bohnenzuchtprojekte, Kreditgenossenschaften, Ziegeleien, und wenn die Zeit gekommen war und die Kooperanten auf einen anderen Posten versetzt wurden, blieb außer ihren Werken nichts von ihnen zurück. Nur Missland schien gewillt, selbst eine Spur zu sein; sein Leben, seine Lust, seine Leidenschaft dem Land und diesen Menschen darzubringen, Kinder zu zeugen, Frauen unglücklich zu machen. Er verbrauchte sich, war rücksichtslos mit sich und allen anderen. Aber vor allem war er unbefleckt von der Scham, die unausgesprochen die Arbeit in der Direktion bestimmte. Wir fühlten uns verantwortlich für das Elend, das die Weißen über diesen Kontinent gebracht hatten, und wir arbeiteten hart daran, einen Teil dieser Schuld wiedergutzumachen.
    Obwohl ich ihn nicht leiden konnte, verbrachte ich mehr und mehr meiner Zeit mit Missland. Er führte mich in die Gesellschaft der Expats ein, von denen es in Kigali wimmelte. Die Hilfsorganisationen waren verrückt nach diesem Land, man trat sich gegenseitig auf die Füße, und es gab buchstäblich nicht einen

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