Hundert Tage: Roman (German Edition)
Tausender. Ich wohne unten an der Deputé Kayuku, sagte ich, als er den Hund an den Hinterläufen packte. In spätestens einer Woche brauche ich einen frischen Kadaver. Legen Sie ihn vors rote Tor. Das Geld lege ich in den Briefkasten.
Schon am nächsten Morgen fand ich einen toten Hund vor meinem Tor, notdürftig mit zwei Bananenblättern bedeckt. Das Tier hatte eine Schlinge um die Schnauze, die ihm das Fleisch bis auf den Knochen zerschnitten hatte. Zwischen den Ohren leuchtete eine helle Blesse, es war der Hund, den er mir zuerst hatte verkaufen wollen, der Hund, der noch gestern gelebt hatte. Durch die Vorfahrt schleifte ich ihn hinters Haus. Mit einer Panga, die ich im Schuppen gefunden hatte, hieb ich dem Hund die Läufe ab, trennte den Kopf vom Rumpf, den ich zuletzt in zwei Teile hackte. Den letzten Hund hatte ich Shakatak am Stück hingeworfen, mit dem Resultat, dass sich Krähen am Aas einfanden und den Bussard vertrieben. Die zerlegten Teile packte ich in die Plastikbeutel, aber weil sie zu groß waren fürs Gefrierfach, verstaute ich sie in der Nische hinter dem Stromaggregat, wo es kühl und schattig war, sieben Teile, die für eine Woche reichen sollten, aber schon am nächsten Tag war der Kadaver von Maden durchsetzt, und als mir der Gestank des verwesenden Fleisches in die Nase stieg, erkannte ich plötzlich, wie weit ich gegangen war. Ich zerhackte Hunde, die man meinetwegen totschlug, gesunde, starke Hunde, zerhackte sie, um sie einem verkrüppelten Vogel zu verfüttern, und das Verrückte daran war, dass meine ganze Arbeit, mein ganzes Leben hier nach einem ähnlichen Prinzip funktionierte und ich nichts Falsches darin erkennen konnte.
Im Januar vierundneunzig gab es keine funktionierende Regierung mehr. Die Gehälter der Beamten wurden nicht mehr bezahlt. Schulen wurden geschlossen. Es gab keine Medikamente mehr. Gesetzlosigkeit und Anarchie in Kigali, und ich saß seit dem frühen Morgen mit dem kleinen Paul auf der Veranda von Haus Amsar. Ich wünschte, er wäre nach Hause gegangen, hätte mich mit seiner Geschichte in Frieden gelassen. Sie war zu ekelhaft, er war zu ekelhaft, dieser brave Mann. Sein Hemd war zerknittert, die Knöpfe standen offen, ich sah seine Leiblichkeit, seine Körperlichkeit, dass er eine Lunge hatte, schwitzte, ein paar Haare auf der Brust. Er war hinfällig, wie jedes Fleisch, eine Hühnerhaut überspannte seine Rippen, und ich wollte das nicht sehen, aber aus einem unbekannten Grund hatte er gerade mich ausgesucht, um sein Herz zu erleichtern.
Es war am Abend, stammelte er, als niemand mehr leugnen konnte, dass die Guttanit-Genossenschaft gescheitert war, sich das Akazu an den Geldern bedient hatte und auch von diesen fünf Millionen, wie von allen anderen, die wir in dieses Land investiert hatten, nichts mehr übrig war. Ich fühlte mich leer, ich fühlte mich betrogen, und sie haben mich immer angelächelt und mir das Gefühl gegeben, sie würden mich schätzen. Ich hätte nach Hause fahren sollen, zu Ines, aber ich musste diese Gesichter sehen, die heuchlerischen, verlogenen Kreaturen. Dann fuhr ich ins Le Palmier und trank Bier, wann haben Sie mich trinken sehen in diesen vier Jahren, David? Er lachte und schüttelte den Kopf, aber ich sehnte mich nach Ruhe, ich wünschte, ich hätte diesen Kerl zum Schweigen bringen können, aber Paul fuhr fort und ich musste mir seine ganze Geschichte anhören. Der Kellner brachte Rettich, fuhr er fort, und ich hatte Lust, ihn fühlen zu lassen, dass ich wusste, weshalb er seinen Job gekriegt hatte. Weil er der kleine Bruder oder der große Vetter von irgendjemandem ist, der eine gewisse Rolle spielt. Keiner in diesem Land hat sich je um eine Stelle beworben. Sie lassen sich zwar säuberliche Lebensläufe tippen, Bewerbungsschreiben, aber nur, um uns zu täuschen. Ich habe ihn angeschrien, sagte der kleine Paul, er solle seinen verdammten Rettich wieder mitnehmen, habe gesehen, wie er zusammenzuckte, und ich habe gedacht, das ist gut, soll er sich beschissen fühlen. Ich trank noch ein Bier, und dann stieg ich in den Wagen und fuhr herum, weiß Gott, wie lange. Irgendwann kam ich an eine Straßensperre der Regierungstruppen, sie sagten, ich müsse umkehren, die Rebellen seien in der Nähe. Wie oft haben wir das in den letzten drei Jahren gehört, David, wie oft? Die Rebellen sind da, die Rebellen stehen vor Kigali, die Kakerlaken sind unter uns. Ich habe noch keinen einzigen gesehen, und langsam frage ich mich, ob sie
Weitere Kostenlose Bücher