Hundsleben
›Gut
Sternthaler‹, das natürlich international immer noch mit ›Sternenhunde‹
kooperiert, weil alle ja eine große liebe Tierschutzfamilie sind.« Allmählich
kam Gerhard das alles ziemlich logisch vor. Hatte Reiber doch recht?
»Genau«, sagte Răzvan. »Und der Deal geht weiter. Die
drei Tierschutzdamen können in Rumänien schalten und walten, wie sie wollen.
Sie stehen unter Gheorghe Mutus Schutz, und Constantin Nagy schreibt immer mal
wieder Gefälligkeitsartikel. Er ist ein Intellektueller mit messerscharfem
Verstand, er ist eiskalt. Ich nehme ihm niemals ab, dass er sich für Tierschutz
interessiert. Wir haben in diesem Land wahrlich andere Probleme als die Frage,
ob es EU -relevant ist, dass
eingefangene Straßenhunde zu Handschuhleder verarbeitet werden. Es interessiert
auch niemanden, dass am Ende der Touristensaison an der Schwarzmeerküste Katzen
und Hunde vergiftet werden. Zu Tausenden werden sie vernichtet, denken Sie bloß
an die beispiellose Massenvernichtung vor den ›sauberen‹ Spielen in Athen, wo
die Olympiastadt von Streunern gereinigt wurde. Constantin Nagy hat erst
kürzlich einen Artikel geschrieben, dass solche Tötungsaktionen nichts bringen,
weil in den ›gereinigten‹ Bezirken sofort neue Populationen an wilden Hunden
und Katzen zuziehen. Kastration ist die einzige Chance, aber die ist bei uns
geradezu verpönt. Es kommt immer wieder zu unschönen Szenen zwischen
ausländischen Tierschützern und Leuten vor Ort. Einen rumänischen Macho
überzeugen Sie weder mit guten Worten noch mit Hysterie. Vielleicht mit Geld.«
Er lachte. »Und dann gehen die ja auch so weit, Hunde einzufangen, die kein
Halsband haben. Manche Tiere haben durchaus ein Zuhause, die
Mensch-Tier-Bindung ist im Süden und Osten nun mal anders als bei Ihnen. Die
Tierschützerinnen haben schon Hunde eingesammelt, die sehr wohl jemandem gehört
haben.«
»Und Frau Pfaffenbichler mittendrin?«, fragte Gerhard.
»Ja, an vorderster Front. Letztes Jahr war sie an der
Schwarzmeerküste unterwegs. Es überleben ja immer einige Tiere, vermehren sich
weiter, das ist sozusagen Tourismus-Darwinismus. Die Tierchen können die
Touristen dann in der neuen Saison füttern, sich gut fühlen, abreisen, und im
Herbst geht dieser Kreislauf von Neuem los. Wir würden in verwahrlosten Tieren
ersticken, wenn das nicht so geschehen würde. Eigentlich ist ein Artikel
darüber nach rumänischer Ansicht nicht mal das Zeitungspapier wert, auf dem er
gedruckt ist. Es sei denn, er stammt von Constantin Nagy. Er ist eben die
Stimme Rumäniens.«
»Und Sie gehen davon aus, dass im Gegenzug für das
Protektorat im Land die Tierschutzdamen Drogen außer Landes bringen?«, fragte
Gerhard.
»Ja, davon gehe ich aus. Zudem nehme ich mal an, dass
die Damen fürstlich entlohnt werden für ihre Botendienste«, sagte Răzvan.
»In bar, nehme ich an. Das erklärt auch, weswegen das
Vereinskonto viel zu wenig Geld für die Ausgaben aufweist, Frau Pfaffenbichler
dennoch genug Geld hatte. Sie fährt also teils selbst mit dem Kleinbus und
bringt die lieben Tierchen über Ungarn und Österreich nach Deutschland. Und die
Drogen gleich mit.«
»Wer möchte schon in Hundekäfige greifen, wenn einen
die Kläffer anknurren? Und wer würde diese Dame kontrollieren, die
Empfehlungsschreiben von Mutu und Nagy hat? Die so viel Gutes tut? Das wäre ja
so, als würde man Bambi verdächtigen, ein Spion zu sein. Oder Lassie des
Drogenschmuggels bezichtigen.« Reiber lachte trocken.
»Und warum musste Frau Pfaffenbichler dann sterben?
Weil sie die heiße Ware nicht ordnungsgemäß abgeliefert hat? Oder sich geweigert
hat, weiter mitzumachen?«, fragte Gerhard.
»Ich nehme eher an, sie hat einen Teil der Ware unter
der Hand verkauft. Vielleicht wurde die Ware auch mit anderen Substanzen
gestreckt. Ionela Raţ ist Tierärztin, a. D.,
aber sie verfügt über medizinisches Fachwissen«, sagte Răzvan.
»Und gefährdet wissentlich die Gesundheit von
Menschen, um damit Tieren zu helfen? Ist das nicht pervers?«, fragte Reiber.
»Sie wissen doch, wie das ist mit Fanatikern. Sie
sehen nichts mehr links und rechts von ihrem Weg. Sie sind fixiert, gefangen in
ihrer Idee. Sie bewegen sich in geschlossenen Systemen mit eigener Logik.« Er
lachte bitter. »Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin in eine Familie von
Systemkritikern hineingeboren worden. Aber lassen wir das.« Sein Blick
verdunkelte sich für Sekunden. Răzvan war jung, aber er hatte mit Sicherheit
so einiges an
Weitere Kostenlose Bücher