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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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dem Buchhändler dort in die Hand versprochen worden war.

    Sowtschick gab sich kurz angebunden. Er habe indischen Besuch, sagte er, und für verlegerische Erfolgsmeldungen hatte er kein Ohr. «Wir müssen uns gelegentlich mal wieder sehen», sagte er, «allmählich wird das ja wohl auch Zeit …» Und dann sah er zu, daß er so schnell wie möglich in den Innenhof kam, wo sich der Exote unter den fächelnden Kübelpalmen die Zähne mit einem Hölzchen sauberstocherte.

    Sowtschick drehte den Brunnen an und erfuhr, daß sein Gast nicht nur einfach «Apahasi» heiße, sondern zusätzlich noch «Singh», folglich Apahasi Singh, weil er nämlich zur Vereinigung der Reinen gehöre, die stets einen silbernen Armreif und ein Schwert tragen und die Haare unbeschnitten lassen. «Singh» bedeute «Löwe».

    In diesem Augenblick wurde Sowtschick schon wieder ans Telefon gerufen, Carola Schade, die nicht dazusein pflegte, wenn man sie anrief, wollte eines ihrer endlosen Gespräche mit ihm führen.

    So? sagte sie, sie sei also nicht dagewesen, als er sie angerufen habe? Weshalb habe er sie denn sprechen wollen? Sie hatte es heraus, spiralenartig zunächst Gleichgültiges zu ventilieren, dies und das, bequem lachend, dann immer enger und enger werdend auf jene weit zurückliegende Hotelsache anzuspielen, und zwar in einer Weise, die Sowtschick, so oft es auch geschah, immer wieder das Blut in die Schläfen jagte. Hieraus wurde nun nichts. Carola Schade, die wohl schon das linke Bein unter sich geschlagen und eine Zigarette angezündet hatte, sah sich brüsk abgefertigt.

    «Es geht momentan absolut nicht, Liebes, ich habe das ganze Haus voll Inder, alles Germanisten aus Delhi …» So sprach er, und am besten wär’s, sie käme mal vorbei, da könne sie ihr blaues Wunder erleben.

    Im Innenhof flüsterte der Brunnen zärtlich: «Sowtschick, Sowtschick, Sowtschick …», und die Palmen fächelten. Der Tisch war abgeräumt, tadellos, und der Inder war verschwunden. Auch die Hunde waren fort, ein Sperling suchte den Boden nach Kuchenkrümel ab.

    Vorsichtig begab Sowtschick sich auf die Suche nach seinem Gast, vorsichtig, damit der nicht etwa den Eindruck bekäme, er werde kontrolliert. In der Küche war er nicht und in der Bibliothek auch nicht. Er saß in Mariannes kleinem Pavillon, obwohl darin eine Affenhitze herrschte. Aus einer der zierlichen Jugendstilkaraffen hatte er sich Likör eingegossen, der seinerzeit – vor fünfzehn Jahren – nur wegen seiner Farbe in die Karaffe gefüllt worden war, und sprach mit den drei Hunden, die auf Mariannes buntkariertem Kelim lagen.

    Er liebe süße geistige Getränke, sagte der Inder, und in seiner Heimat sei es üblich, nach dem Essen zu ruhen.

    Nun, hiergegen hatte Sowtschick nichts. Er schloß die Tür leise, obwohl er etwas besorgt war. Ehen vor Gericht? Marianne war so eigen mit ihren Sachen, mit all den Gläsern, Gläschen und Sweetmeats, hoffentlich würde der Gast nichts in Unordnung bringen.

    Dieser junge Mann war eine außerordentliche Neuerwerbung. Allem Anschein nach aus guter Familie, schön und intelligent – vielleicht waren mit ihm ja hohe Geistesgespräche zu führen, über die öden Zwischenräume des Lebens hinweg? Nicht über Parteiungen und öffentliche Mißstände, damit mochte sich das Gezwerge abgeben. Nein, über hohe und höchste Dinge, die einem dann schon noch einfallen würden. Wenn wieder einmal ein Journalist käme, der von Elfenbeintürmen spräche, in denen Sowtschick sich vermutlich gern aufhalte, den dann auf den Inder verweisen, daß man zur Tat geschritten ist, Dritte Welt und so weiter und so fort. Das Mädchen Erika und der Inder, das waren soziale Aktivitäten, die sich in seiner Biographie gut ausnehmen würden. Er lachte still vor sich hin. Was man nicht alles erlebt, dachte er, sonderbar, sonderbar. Daß das Leben jedem Roman an Erfindungsreichtum überlegen ist, stand fest. Wie würde von Dornhagen gucken, wenn er hier nichtsahnend aufkreuzte! Etwas Weltoffenes würde sich zu dem Bild Sowtschicks in der über ihn zu schreibenden Biographie gesellen, und er überlegte, ob er nicht irgendwo noch einen Neger auftreiben könnte, oder einen Chinesen.

    W as fängt man an mit einem solchen Tag? Sowtschick setzte sich an seinen Schreibtisch und sah die Post durch. Ein Brief vom «Globus» war dabei, den er sofort öffnete. Der Chefredakteur lud ihn ein, an einer Anthologie über die Parteienlandschaft teilzunehmen. Zweihundert Mark und drei

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