Hundsvieh - Kriminalroman
von Giacometti verschwand.
Der Kleinlaster ist bereits beim Kreisel angelangt und biegt nun gegen Maloja ein, ich blicke mich um auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit. Am Straßenrand parkt ein weißer Audi mit Stuttgarter Kennzeichen. Ein Mann steigt aus und geht zum Kiosk hinüber. Schnell öffne ich die Beifahrertüre und setze mich hinein.
»Was haben Sie hier zu suchen, junger Mann?« Die ältere Dame schaut mich entgeistert an. »Steigen Sie sofort aus! Mein Mann ist gleich zurück!«
»Willkommen bei der ›Crime Show‹ auf RTL, ich bin Fred Lohmann.« Ich setze mein schmierigstes Lächeln auf, vielleicht akzeptiert sie mich so als Fernsehmitarbeiter. »Die ›Crime Show‹ ist eine neue ›Reality-Soap‹, bei der rasche Auffassungsgabe gefragt ist. Sind Sie dabei?«
Die Dame nickt eifrig.
»Ihr Name?«
»Gudrun Schmitt!«
»Wir bei der ›Crime Show‹ duzen uns, ist das in Ordnung?«
Sie lächelt geschmeichelt. »Aber sicher, Fred!«
»Dann fahr mal los, Gudrun!«
Gudrun startet den Motor. »Wohin soll ich fahren?«
»Bieg hier nach rechts ab.« Wie eifrig und folgsam die Leute doch sind, wenn es ums Fernsehen geht.
»RTL hast du gesagt, wann kommt das im Fernsehen?«
»Wir sind live auf Sendung!«
»Echt?« Die Dame gibt Gas. »Was soll ich tun?«
Im Rückspiegel sehe ich, wie ihr Mann winkend hinter uns herläuft. »Mach dir keine Sorgen um deinen Mann, mein Mitarbeiter wird sich um ihn kümmern. Wir haben eine knifflige Aufgabe zu lösen, liebe Gudrun!« Ich deute zum Himmel, wo eben ein roter Rettungshelikopter der Rega seine Kreise zieht. »Da oben ist unser Kamerateam!«
Gudrun Schmitt aus Stuttgart nickt zufrieden und steuert den Audi nach meinen Anordnungen aus St. Moritz heraus. Die Verfolgungsjagd mit mir ist ganz nach ihrem Geschmack, auf einen weiteren, langweiligen Engadiner Ferientag mit ihrem Gatten kann sie gut verzichten.
»Was suchen wir?«
»Wir verfolgen einen Kleinlaster mit der Aufschrift PPS. Im Wagen ist eine wertvolle Skulptur versteckt, unsere Aufgabe ist es, sie zurückzuholen.«
Gudrun nickt begeistert. Das Jagdfieber hat sie gepackt. »Das finde ich noch besser als ›Big Brother‹!« Sie kichert. »Da, schau mal, da vorne ist der Laster.«
»Bleib dicht dran, meine Liebe!«
»Eigentlich schade!«, murmelt Gudrun.
»Was meinst du?«
»Na, dass die Kunst geladen haben. Ich fände es spannender, wenn es was wirklich Wertvolles wäre, eine Ladung Taschen von Louis Vuitton, Designerklamotten oder so!«
»Dann ist Kunst nicht gerade dein Ding, Gudrun«, stelle ich fest.
»Na ja, nicht wirklich.« Sie schaut mich mit gespielter Traurigkeit an. »Spielt das eine Rolle?«
»Für unser Spiel nicht, im Leben schon!«
Gudrun schaut verwirrt zu mir hinüber. »Das verstehe ich jetzt nicht ganz, Fred.«
»Macht nichts«, gebe ich zurück. »Jetzt wollen wir mal schauen, was sich bei den Leuten von PPS tut!«
Doch viel tut sich im Moment nicht. Der Kleinlaster tuckert mit gleichbleibender Geschwindigkeit an Silvaplana und Sils vorbei, wir sehen unzählige Windsurfer auf dem Silvaplaner- und dem Silsersee. Aber etwas wirklich Spannendes, das nach Frau Schmitts Geschmack wäre, passiert bis Maloja nicht.
»Warum machen die nichts? Das gibt doch eine total langweilige Sendung.« Nervös trommeln Gudruns Nägel auf dem Steuerrad herum. »Da müsste man vielleicht mal etwas nachhelfen!«
»Was machst du da?« Meine Finger umklammern den Haltegriff der Tür, meine Füße stemmen sich gegen das Bodenblech, als Gudrun kurz nach dem Ortsschild unerwartet beschleunigt, den weißen Audi am PPS-Laster vorbeijagt, dann voll auf die Bremse tritt und gleichzeitig auch noch die Handbremse zieht. Das muss sie in einem Schnee-Fahrkurs im Schwarzwald gelernt haben, auf Eis kann so ein Manöver auch gelingen, nicht aber auf der trockenen Straße. Unser Audi stellt sich quer, der Laster knallt gegen den vorderen Kotflügel und wir werden auf die Gegenfahrbahn geschoben, wo unser Wagen rauchend zum Stehen kommt.
»Bist du noch zu retten? Willst du uns beide umbringen?« Ich würge an meinem Türgriff herum, doch die Tür scheint total eingeklemmt zu sein.
»Wieso denn?« Gudrun zeigt nach oben, wo der rote Heli wieder auftaucht. »Da ist doch unser Kamerateam. Die haben das sicher gefilmt. Das war wie im Krimi.«
Als ich mühsam zum Fenster rausklettere, setzt sich der Kleinlaster wieder in Bewegung und verschwindet zwischen den Häusern von Maloja. Gudrun versucht
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