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Hundsvieh - Kriminalroman

Hundsvieh - Kriminalroman

Titel: Hundsvieh - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Helm trage. Die erste Kurve schaffe ich knapp. Ich behalte die Nerven, meine Hände widerstehen der Versuchung und lassen die Bremshebel in Ruhe. Fritschi bleibt etwas zurück, sicher hat er gemogelt. Nun wird die Fahrt immer schneller, ich schätze, dass ich schon mit über fünfzig Stundenkilometern unterwegs bin.
    Vorne kommt die zweite Kurve in Sicht, es ist eine Haarnadelkurve, mir wird klar, dass es hier nicht ohne Bremsen geht, dennoch werde ich sicher lange vor Fritschi unten in Casaccia sein, denn dieses Weichei von einem Kunsthausdirektor hat nicht die Nerven für eine solche Abfahrt, der bremst einfach viel zu früh.
    Sachte tippe ich die Hinterbremse an. Keine Reaktion. Ein kurzer Blick an meiner Hüfte vorbei genügt mir, um zu sehen, dass das Bremskabel ausgehängt ist. Das Bike wird schneller. Zwei Kehren weiter unten höre ich das Horn des Postbusses. Rechts von mir erheben sich fast senkrecht die Stützmauern aus grob behauenem Granit, links die Leitplanke mit dem Abgrund dahinter, vor mir die Kurve.
    Vorsichtig nehme ich meinen rechten Fuß von der Pedale und drücke ihn seitlich gegen den vorderen Reifen. Das Rad eiert, das Bike beginnt gefährlich zu schlingern, doch irgendwie kann ich die Geschwindigkeit so weit drosseln, dass es mir knapp gelingt, mich durch die nächste Kurve zu schummeln. Glücklicherweise kommt mir gerade jetzt kein Wagen entgegen, denn bei meinem Manöver hat es mich weit auf die Gegenfahrbahn hinausgetragen.
    Erleichtert atme ich auf, doch die Freude ist nur kurz, nun fällt die Straße noch steiler ab, und das Bremsen mit dem Schuh gelingt mir nicht mehr. Vor mir liegt die nächste Kurve, unter mir sehe ich den Postbus herankommen, mit dem ich in wenigen Sekunden in der Kehre zusammentreffen werde.
    Ungebremst rase ich auf die Kurve zu, schrill die Hupe des Postbusses, der sich gelb und schwer von unten in die Kurve schiebt. Seitlich sehe ich zwischen Leitplanke und Stützmauer einen Durchgang, der Bus kommt heran, droht mich zu zerquetschen, Reifen quietschen, todesmutig halte ich auf die Lücke zu, brause zwischen Bus und Stützmauer hindurch, rechts rast die Mauer vorbei, links nährt sich das gelbe Blech des Busses, hinter der Lücke taucht ein viel zu schmaler Wanderweg auf, das Bike hebt am Straßenrand kurz ab, dann Schlaglöcher, links ein Baum, ein tief hängender Ast, ich ducke mich, dann rast ein Gebüsch auf mich zu, und schon sehe ich nichts mehr.
    Erst fühlt sich alles ganz leicht an, schwebe ich bereits aufwärts? Hört man schon helle Harfenklänge? Dann der Schmerz in meiner Brust, das Ringen nach Atem, das in ein unkoordiniertes Keuchen übergeht. Irgendwo rauscht der Verkehr, ein sehr irdisches Geräusch, ich bin also noch nicht tot, dieses Gewirr von Ästen und Ästchen hat mir wohl das Leben gerettet. Langsam krieche ich rückwärts, lasse mich dann neben dem Bike auf den Weg fallen, versuche, regelmäßig zu atmen.
    »Tutto a posto, Mettler, alles in Ordnung?«
    Was heißt hier in Ordnung? Den Mund habe ich voller Blätter, die Arme sind zerkratzt, mein Kopf brummt und meine Rippen brennen. Fast wäre ich in den Postbus geknallt. Nichts ist in Ordnung! Vorsichtig stehe ich auf, die Bergeller Berge drehen sich um mich herum, von links schiebt sich ein bekanntes Gesicht ins Bild: Marco Morandi.
    »Ah, caro Mettler, immer Draufgänger, immer Abenteurer! Ma questo qui, das hier ist wirklich fahrlässig!« Morandi beugt sich kopfschüttelnd über das Bike. »Passfahren ohne Bremsen ist doch sehr gefährlich, o no?«
    Ich schaue mir die Bremsen genauer an. Die beiden Kabel sind ausgehängt, und bei den Bremsklötzen fehlen Schrauben. Das ist kein technisches Versagen, das ist knallharte Sabotage.
    »Wer hat dir diese Bicicletta gegeben?«
    »Fritschi. Wo ist er überhaupt? Er fuhr doch hinter mir her, hoffentlich ist ihm nicht das Gleiche passiert. Weißt du, Keller, der Assistent von Fritschi, hat die ganze Geschichte inszeniert, er hat sicher auch die Bikes präpariert.«
    Morandi zerrt mich zur Straße. »Dai, wenn das so ist, müssen wir Fritschi suchen! Subito!«
    Auf der Straße steht Morandis Wagen, ein roter Alfa. Langsam fahren wir durch die Kehren den Pass hinunter. Doch von Fritschi gibt es keine Spur. Ist er durchgekommen? Oder irgendwo abgestürzt? Liegt er mit zerschmetterten Knochen unterhalb einer dieser Felswände, die das Bergell hier abschließen? Konnte er die Fahrt noch abbremsen, möglicherweise wurde er auch verletzt zum nächsten

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