Hundsvieh - Kriminalroman
der Theke und telefoniert. Schnell beendet er das Gespräch mit einigen nichtssagenden Floskeln.
Bedächtig rühre ich in meiner Tasse. »Hör mal, Marco, du willst doch auch nicht, dass der Hund ins Ausland verkauft wird, oder?«
Marco schüttelt den Kopf. »Das wäre das Schlimmste, was uns passieren könnte. Wenn so ein Werk erst einmal eine Grenze überschritten hat, wird es schwieriger, es zu verfolgen. Natürlich gibt es eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Polizeikräften …« Er zuckt mit den Schultern, rührt in seinem Kaffee.
»Vielleicht kann ich dir da einen Tipp geben«, sage ich möglichst gelassen. »Damit kann auch mir geholfen werden, du müsstest mir einfach einen Gefallen tun.«
Morandi schaut mich aus dunklen Augen an. »Che cosa? Was willst du von mir?«
»Es geht – wie gesagt – um den Hund, ich möchte, dass du mir hilfst, meine Unschuld zu beweisen.«
»Difficile, Mettler, das ist schwierig! Wie stellst du dir das vor?«
»Ich habe starke Kopfschmerzen von meinem Unfall, Marco. Mir wird immer wieder schwindlig, es ist wohl das Beste, wenn ich zum Arzt gehe, damit er mich untersuchen kann.«
Er nickt verständnisvoll. »Gute Idee!«
»Aber so kann ich nicht verhindern, dass der Hund von Giacometti heute Abend einem Sammler übergeben wird.«
Den Satz habe ich ziemlich beiläufig fallen gelassen, Morandi zuckt zusammen, als hätte man ihn ans Stromnetz angeschlossen.
»Wie hast du das erfahren?«
»Kubashi hat es mir erzählt. Der Dieb hat ihn kontaktiert.«
»Erzähl schon, Claudio, racconta!«
Erst mache ich eine Pause, um dem Folgenden noch etwas mehr Gewicht zu geben. Mal schauen, wie meine Geschichte wirkt! »Kubashi sagte, dass der Giacometti heute Abend in Promontogno bei dieser Tankstelle vor der Grenze dem Meistbietenden übergeben wird, und da habe ich gedacht, dass du für mich hinfahren könntest.«
Morandi ist aufgesprungen. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?« Er blickt auf die Uhr und legt dann Geld auf den Tisch. »Senti, wenn du zur Behandlung willst, dann nimm hier draußen den Bus, der nach Soglio hinauffährt, er hält beim Ospedale Flin, da findest du den Dottore des Tales.«
»Mach ich!«
Morandi hastet zum Ausgang. »Ciao e grazie per tutto, vielen Dank für alles!«
»Ciao Marco. Amüsier dich gut!«
Manchmal frage ich mich schon, warum kluge Leute immer wieder auf die dümmsten Geschichten hereinfallen.
12.
Vor dem Hotel Bregaglia befindet sich die Haltestelle für die Postbusse. Der Bus, der nach Soglio hinauffährt, steht bereit. Der Fahrer erklärt, dass er noch auf den Anschluss aus St. Moritz warte. Er werde in fünf Minuten fahren. Auch gut, ich setze mich ans Wasserbecken, schaue den Enten zu, die sich hier eingerichtet haben. Mit dem Bus werde ich schnell in Soglio oben sein, dann kann ich mich in Ruhe umschauen. Das Ospedale Flin kann gut auf mich warten. Zwischen den Häusern erscheint der Bus aus St. Moritz, schnell drehe ich mich weg, denn neben dem Fahrer sitzt ein alter Bekannter, mein japanischer Freund! Soll ich zu ihm gehen? Dann ist der Überraschungseffekt weg. Kubashi soll glauben, dass er alleine nach Soglio hinauffährt.
Der Bus hält, einige Leute steigen aus, dann fährt er weiter in Richtung Schweizer Grenze, in Richtung Chiavenna in Italien. Aus meinem Versteck beobachte ich, wie die Fahrgäste den Bus nach Soglio besteigen. Neben einigen Einheimischen mit vollen Einkaufstaschen und drei Wanderern mit schweren Schuhen und großen Rucksäcken steigt Tashi Kubashi in den kleinen Bus, der Japaner trägt eine Reisetasche, aus der der Micro-Scooter herausragt. Der Busfahrer steigt aus, er ruft etwas zu mir hinüber, ich winke entschuldigend und warte, bis der Bus abgefahren ist, bis das Motorengeräusch sich entfernt hat.
Unschlüssig stehe ich auf, schaue mich um. Bei der Haltestelle des Postbusses hängt eine Wanderkarte. Daneben der Wegweiser, der auf die verschiedenen Wanderwege hinweist. Nach kurzem Überlegen gehe ich über die alte Bogenbrücke und verlasse rechts die Straße. Am Waldrand beginnt der steile Aufstieg nach Soglio. In einer Stunde müsste es zu schaffen sein. Große Stufen aus Granitplatten führen durch einen dichten Kastanienwald den steilen Hang hinauf, zwischen dem Laub vom letzten Jahr macht sich zaghaft neues Grün bemerkbar. Schon bald keuche ich, der Schweiß rinnt mir den Rücken hinunter, es pocht in meinen Schläfen. Dann quert der Weg Geröllhalden, führt auf einem
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