Hundsvieh - Kriminalroman
Haltung hat etwas Elendes, Bedrücktes. Kranke Leute geben mir den Rest, vor allem seit mich dieser Ausschlag plagt. Da sehne ich mich nach gesunden, fröhlichen Mitmenschen. So drehe ich mich um und verlasse das Haus, um auf dem schnellsten Weg in mein Bett zu kommen.
16.
Die beiden letzten Nächte habe ich wenig geschlafen. So versinke ich, kaum dass ich mich hinlege, in ein tiefes, dunkles Loch. Ganz verschwommen tauchen oben am Rand meine neuen Bekannten auf: Die lächelnde Anna mit dem Blumenkranz auf den blutigen Haaren, Barbla in ihrem Höhlenversteck, Luis Belasch, wie er mit irrem Blick seine Wurst isst, Christine in ihrem weißen Geländewagen und Dschipi, der Bär, der den Wasserhahn nicht zumacht. Dauernd taucht Dschipi in meinem Traum auf, ich sehe immer und immer wieder, wie er am Schrank lehnt, sich kratzt und die Augen verdreht.
»Was soll das?« will ich ihm zurufen, doch ich bin tief in meinem dunklen Loch, und mich hört hier unten keiner. Mettler hat nichts zu sagen.
So schaue ich ihm zu, sehe die Schranktür hinter ihm, seine verdrehten Augen und … da ist es! Hat sich die Schranktür nicht ein bisschen bewegt?
Schweißgebadet setze ich mich im Bett auf. Diese Schranktür. Warum war Keller so merkwürdig gestern Abend? Warum hat er sich immer wieder gekratzt, obwohl er keinen Ausschlag hat, warum hat er so die Augen verdreht?
Und dann knallt mir die Erkenntnis frontal gegen den Kopf. Schmerzhaft. Meine Dummheit tut richtig weh! Gestern Abend stand jemand hinter Dschipi Keller im Schrank. Jemand, der ihn bedroht hat.
Vom Kirchturm schlägt es drei Uhr, als ich beim Haus des Therapeuten bin. Alles ist ruhig. Die Fenster sind dunkel. Er wird schlafen, denke ich und sehne mich nach meinem eigenen, warmen Bett. Mettler, du bist ein Narr!
Vielleicht ist es das Beste, wenn ich ihn wecke, damit er sich mit Barbla in einer Stunde beim Tunnel treffen kann.
Die Haustür ist immer noch offen. Ich suche nach einem Lichtschalter, kann aber keinen finden. Einen Moment stehe ich da und horche in das schlafende Haus hinein. Ein Balken knarrt. Im Dunkeln taste ich mich durch den Flur, da ist die Treppe, meine Hände fahren über das grobe Mauerwerk, finden das Geländer, vorsichtig steige ich hinauf. Wo war das Zimmer? Ich gehe nach links, öffne eine Tür, es riecht nach einem billigen Rasierwasser.
»He, was …« Grob werde ich gepackt und nach vorn gestoßen, mit der Schulter knalle ich gegen ein Möbelstück, schnell drehe ich mich zur Seite. Dort, wo ich vor wenigen Sekunden noch lag, landet krachend ein schwerer Gegenstand. Holz splittert. Dann ist es ruhig. Zitternd liege ich in der Ecke des Raumes. Ich wage kaum zu atmen. Da, Schritte entfernen sich, hasten die Treppe hinunter, dann fällt die Haustür ins Schloss.
Mühsam rapple ich mich auf, finde endlich einen Schalter und mache Licht. Vor mir ein erstauntes Gesicht, ich zucke zurück, doch ich bin es, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Spiegel heraus anstarrt. Ich nicke mir zu, reibe meine Schulter, steige über das Gerippe eines zerschlagenen Stuhles und gehe hinüber ins Schlafzimmer.
Dschipi Keller liegt am Boden, fein säuberlich mit Klebeband umwickelt.
Mit der Nagelschere aus dem Badezimmer mache ich mich daran, das Paket zu öffnen. Dann leere ich ihm ein Glas Wasser über das Gesicht.
»Nein, bitte Mama. Nicht schon wieder waschen«, lallt er.
Keller stinkt nach Schnaps. Neben dem Schrank steht eine halb leere Flasche Kirsch. Mit dem ist heute wohl nicht mehr zu rechnen. So zerre ich ihn zum Bett, und es gelingt mir mit einiger Anstrengung, ihn bequem hinzulegen. Sogleich beginnt er zu schnarchen.
Es ist jetzt drei Uhr fünfzehn. Um vier Uhr wird Barbla beim Tunnel sein.
Und der Unbekannte. Falls er vorhin im Schrank war und uns belauscht hat, weiß er von dem Treffen und er wird sicher auf sie warten. Soll Barbla etwa wie Anna enden? Mit einer Kugel im Kopf und einem Blumenkranz auf den blutigen Haaren?
Mit zwei kräftigen Ohrfeigen versuche ich, Keller nochmals wach zu kriegen. Ich habe keine Ahnung, das Treffen mit Barbla stattfinden soll. Dschipi lallt unverständliche Worte und schaut mich aus großen, besoffenen Augen an.
»Wo ist der Tunnel, Keller, sagen Sie schon!«
»Nur nicht so … heftig mein Freund … weil … Freunde schlagen sich doch … nicht, oder?« Ein langer, erstaunter Blick für mich, dann ist er wieder hinüber. Einen Moment noch bleibe ich unschlüssig stehen, laufe dann die
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