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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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jungen Neonazis. Seltsamer Zufall, was?»
    «Soll ich dir was sagen, Mum? Von der Sorte gibt’s hier mehr als bei uns in Deutschland. Das hat mir mein Gastvater erzählt. Ich begreif das irgendwie nicht.»
    «Ich auch nicht, Luca. Aber wenn du zurück bist, dann können wir darüber reden. Vielleicht auch mit Großvater, der begreift viel mehr als wir beide zusammen.»
    «Mhm.»
    «Geht’s dir gut?»
    «Ziemlich gut.»
    «Nur ziemlich?»
    «Ja, reicht doch, oder?»
    «Mhm. Was macht Sofia?»
    «Himmelt Patrick an und er sie. Denen geht es richtig gut.»
    «Ist Patrick okay?»
    «Ja, sehr okay.»
    «Muss ich mir keine Sorgen machen?»
    «Bitte, Mum! Mach dir keine Sorgen! Weder um Sofi noch um mich. Wir kommen hier prima klar. Die Gastfamilie ist total nett, und die andern Sachen kriegen wir schon hin. Genieß die Zeit für dich, ja?!»
    «Ich bemühe mich. Aber es ist entsetzlich heiß, und ich habe einen sehr unangenehmen Fall.»
    «Du hast einen sehr unangenehmen Beruf, Mum.»
    «Danke.»
    «Ist doch wahr. Könntest ja auch Rosen züchten, statt Leichen zu sammeln.»
    «Ich bin kurz davor, Luca!»
    Er lachte.
    «Dann mach’s gut, Mum.»
    «Leb wohl, Luca, und pass auf den Schläger auf. Kann ich noch schnell mit Sofia sprechen?»
    «Leider nicht. Die ist gerade mit Patrick weggegangen. Sie lässt dich grüßen. Jedenfalls hab ich das ihren wilden Grimassen entnommen.»
    «Na dann: Ciao, Luca, grüß Sofia und deine Gastfamilie.»
    «Ciao, Mum.»
    Das war’s. Der Geruch des Pfefferminztees bereitete ihr Übelkeit, trotzdem zwang sie sich dazu, eine große Tasse zu trinken. Danach legte sie sich flach auf den Rücken und schaute an die Decke ihres Schlafzimmers. In der rechten Ecke hing eine große schwarze Spinne.
    Es wird nie aufhören, dachte Laura. Wir tragen die Schuld aller vergangenen Generationen mit uns herum. Und wir bezahlen dafür. Sie erinnerte sich daran, wie sie sich als junges Mädchen wild gegen den Gedanken der Erbsünde und der Kollektivschuld der Deutschen in der Nazizeit aufgelehnt hatte. Nein, jetzt lehnte sie sich nicht mehr dagegen auf. Im Gedanken der Erbsünde lag eine tiefe Wahrheit. Auch der Terrorismus war in ihren Augen das Ergebnis vergangener Vergehen an anderen. Nicht, dass ihn das besser machte. Es war nur einfach so.
    Es tat ihr leid, dass Luca in England auf so brutale Weise mit der Vergangenheit seines Volkes konfrontiert wurde. Und doch … Es konnte eine wichtige und kostbare Erfahrung für ihn sein.
    Sie schaltete den kleinen Ventilator neben ihrem Bett ein und fiel in einen oberflächlichen Schlaf, aus dem sie bei jedem Geräusch aufschreckte, das von draußen zu ihr drang.
     
    Als die Lukaskirche sich allmählich mit Menschen füllte, schlich sich Ralf hinaus. Viele Menschen und Innenräume, das ging überhaupt nicht. Er überquerte die Straße und ging am Isarkanal entlang zur Ludwigsbrücke. Von hier aus konnte er die Kiesbänke und den Fluss überblicken. Noch war es nicht dunkel, und da unten war niemand. Nicht mal der übliche Badebetrieb. War inzwischen verboten, in der Isar zu schwimmen. Man konnte schon riechen, warum.
    Drüben bei den Museumslichtspielen standen alle Türen offen, und Ralf dachte kurz, dass er sich einen Film ansehen könnte, wenn er sich in so eine offene Seitentür setzen würde. Aber das war nur ein Gedanke, denn erstens hatte er kein Geld fürs Kino übrig, und dann wollte er vielleicht gar keinen Film sehen. Jedenfalls wüsste er nicht, welchen. Es lag nur an den offenen Türen, dass er so eine Idee hatte.
    Eine halbe Stunde lang lehnte er sich ans Geländer der Ludwigsbrücke, schaute dem Verkehr zu, den Fußgängern und Radfahrern. Waren nicht so viele wie sonst.
    Ralf dachte, dass die Hitze einfach bleiben könnte und dass irgendwann alles aufhören würde. Er stellte sich vor, wie die Menschen herumsaßen und vor sich hin starrten. Und dann? Vielleicht würden sie vertrocknen? Aber das war Quatsch. Wäre schade, wenn alle austrockneten. Auch um Laura und die Frau mit dem Retriever. Nur um die Kerle auf der Kiesbank nicht. Die konnten ganz schnell austrocknen. Er konnte sie vor sich sehen: lauter dunkelbraune Mumien, die zerbröselten, wenn man sie anfasste. Dann fielen ihnen auch die Zähne aus und lagen zwischen den Isarkieseln. Lauter Zähne.
    Ralf schüttelte den Kopf über seine eigenen Ideen. Na ja, er hatte viele Ideen, immer neue und alle Arten. Das war schon so gewesen, als er noch ein Kind war. Meistens war er ausgelacht

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