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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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gehalten hatte, war das Unterteil eines langbeinigen
Übungstrikots. Auf den Spagat folgte eine schnelle Sequenz atemberaubender
Sprünge und Pirouetten, alles auf einer Fläche von kaum fünf Quadratmetern.
    Als Birgit an den Tisch zurückkam,
begleitete sie brausender Applaus. Bei der spontanen Vorführung war ihr ein
Kleiderärmel bis zum Ellenbogen hochgerutscht, den sie hastig wieder
hinunterzog, aber Karl waren die wulstigen Narben an ihrem Unterarm nicht entgangen.
    Benno ging ihr lachend entgegen.
»Jebongt, Frollein Kellner. Eenmal inner Woche können Se von mir aus
ab jetzt hier turnen. Ick besprech mal jleich mit Heribert die Details.«
    »Danke, Herr Hofmann. Ich würde am
liebsten auch wieder unter meinem alten Künstlernamen auftreten – Birgit
Wendura.«
    Benno war ein guter Beobachter, auch er
hatte die Narben bemerkt. Karl hörte, wie er ihr zuflüsterte: »Von mir aus könn Se sich hier ooch Mutter Maria nennen – und keene Sorje: Turnen und nischt
weeter sonst soll’n Se. Schtrippen müssen Se bei mir im Oriental nich. Harn wa
uns vastanden?«
    »Danke.«
    »Keene Ursache. – So, Karlchen, denn
unterhalt dir mal noch’n bisschen weiter mit die Dame.«
    Am Tresen gab es zwei freie Plätze.
Wassilinski hatte sich zu anderen russischen Offizieren im Saal gesellt.
Elektro-Klaus tanzte mit Goldelse, und Leutnant McCullen war während der
akrobatischen Kostprobe mit seinem Gesprächspartner zum Tisch des britischen Colonels gegangen.
Beide schienen den Bauunternehmer zu kennen, denn sie unterhielten sich
angeregt miteinander.
    Karl ging mit Birgit zum Tresen. Am
anderen Ende redete Major Miller immer noch mit Sergeant Burns.
    »Mensch, Karl, das war ja heute Abend ein
Volltreffer, hierherzukommen.«
    »Freut mich. Auf Benno ist Verlass. Wenn der Ja sagt,
meint er auch Ja. – Aber sag mal, wie ist es dir denn eigentlich so ergangen?«
    Birgit redete, Karl redete. Viel gab es
zu erzählen. Die Tanzfläche füllte sich mehr und mehr.
    Bevor Birgit wieder an ihren Tisch
zurückkehrte, schrieb sie ihm die Adresse der Reinickendorfer Kneipe auf, in
der sie arbeitete. »Komm mich doch einfach irgendwann mal besuchen. Montags ist
der Laden meistens leer. Versprochen?«
    »Bestimmt!«
    »Schön. Ich freue mich drauf.« Birgit gab
ihm einen Kuss auf die Stirn und glitt vom Barhocker.
    Karl schlenderte zu Miller und Burns.
    »Der Sergeant meint, es ist bestimmt nur
ein loser Schlauch. Bevor ich fahre, schaut er mal nach.«
    »Bleiben Sie noch lange, Major?«
    »Auf einen Drink vielleicht. Und Sie?«
    »Ich bin ehrlich gesagt ziemlich müde.
Aber ein Glas Wein trinke ich auch noch. Könnten Sie mich wieder mit nach
Dahlem zurücknehmen?«
    »Selbstverständlich, Mister Charles.«
    »Ich mach mich erst etwas später davon,
Sir«, meinte Sergeant Burns. »Leutnant McCullen setzt mich dann nachher am
Klausener Platz ab.«
    Major Miller kramte in einer Brusttasche
seiner Uniformjacke. »Falls Sie die Kinder treffen sollten, geben Sie ihnen das
bitte von mir. Mehr habe ich leider nicht dabei.« Er drückte Burns zwei Päckchen
Kaugummi in die Hand.
    »Danke, Sir. – Oh, mit Erdbeergeschmack!
Die mögen sie besonders.«
    Als Miller und Karl von der
Garderobenfrau die Mäntel entgegennahmen, ging die Eingangstür halb auf. Die
zwei Männer in der Türöffnung betraten das Oriental nicht, sondern
machten auf der Stelle kehrt.
     
     
    »He, spinnst du? Zerr nicht so an mir
herum!«
    »Los, schnell, steig ein!«
    Ehe Wolfgang Richter sich’ s versah,
hatte sein Begleiter die Tür des Mercedes geöffnet und sich im Fond
zusammengekauert.
    »Mensch, red doch mal!«, grummelte
Richter und klemmte sich verblüfft hinter das Lenkrad.
    »Gleich! Fahr erst bis zur nächsten Ecke
weiter«, zischte der Mann mit einer Stimme, die keinen weiteren Widerspruch
zuließ.
    Also tat Richter, wie ihm aufgetragen.
    »So, hier kannst du halten.« Der Mann im
Fond richtete den Oberkörper auf und starrte durch die Heckscheibe. Er sah zwei
amerikanische Soldaten, wie sie sich über den Motorraum eines Horch beugten.
Neben ihnen stand ein Zivilist und hielt die Haube auf.
    »Könntest du mir jetzt vielleicht
erklären…«
    »Scheiße, das ist eindeutig Meunier. – Und
ich war mir absolut sicher, dass er beim Adlon- Brandmit draufgegangen
ist!«
    »Von wem, verdammt noch mal, redest du?«
    Die Antwort waren zwei geballte Fäuste.
    »Meunier, Meunier. – Wer zum Teufel ist das?«, insistierte Richter wütend.
    »Karl Meunier,

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