Hunkelers erster Fall - Silberkiesel
Abschied nicht mehr zu denken. Er musste nicht nur die Polizei abschütteln, er musste auch mit dem Mann, für den die Diamanten bestimmt waren, in Kontakt treten, er musste sich erklären. Er musste die Leute von seiner Lauterkeit und Unschuld überzeugen. Sonst würde sein Leben demnächst beendet sein.
Die Hauptschwierigkeit war, dass er den Kontakt herstellen musste, ohne dass die Polizei es merkte.
Auf diesen Huber war kein Verlass, der war keine Hilfe. Seltsam, dachte Kayat, als er sich Tee nachschenkte, seltsam, dass in diesem so erfolgreichen Land solche Idioten als Zwischenträger eingesetzt werden. In Beirut und Nikosia wäre so ein Kretin unmöglich, der wäre schon längst von den Wölfen gefressen.
Als er gefrühstückt hatte, legte er sich wieder aufs Bett und zog sich die Decke über die Ohren. Er fühlte sich erschöpft, aber er spürte, dass sich sein Magen beruhigt hatte. Abwarten, dachte er, abwarten und Tee trinken.
Peter Hunkeler erwachte im ehemaligen Ehebett seiner Freundin Hedwig. Er merkte das, noch ehe er die Augen aufschlug. Er hörte das regelmäßige Schnarchen nebenan, das sich beim Einatmen zu einem hohen Pfeifton steigerte, er roch den vertrauten Frauengeruch, seine Beine lagen an warmen Schenkeln.
Er hob die Augenlider und betrachtete den gedrungenen, schweren Frauenleib neben sich. Die Haut erschien ihm schneeweiß im schwachen Licht der Straßenlaterne, das von der Decke zurückgeworfen wurde: die rötliche Haut im Nacken, halb verdeckt vom hellen, strähnigen Haar, die schweißnasse Haut über dem Rückgrat, unter der sich die Wirbelsäule abzeichnete, die molligen Fettwülste zu beiden Seiten.
Sie hatte in seinen Armen geschlafen, mit dem Rücken an seinem Bauch. Sie liebte das, und er liebte das auch.
Er drehte den Kopf zum Wecker. Es war kurz nach sieben. Von draußen war nur wenig Verkehr zu hören. Die selige Ruhe des Morgens, dachte Hunkeler, die zärtliche Stunde der Liebenden. Er drückte einen Kuss auf Hedwigs Achsel und zog sein rechtes Bein unter ihrer Hüfte hervor. Er wusste, dass sie jetzt einen Augenblick lang mit Schnarchen aufhören würde, und er nahm befriedigt zur Kenntnis, dass es genau so geschah. Wer sich in den Schnarchgewohnheiten eines Menschen auskennt, dachte Hunkeler, ist nicht einsam, und dann sagte er leise: Ich alter Bock.
Fast musste er lachen, aber sein Kopfweh hinderte ihn daran. Dieser Edi mit seinem Grappa, dieser Sommereck-Stammtisch mit der Karibenmusik, »Working for the Yankee Dollar, yeah«, diese Männerzärtlichkeit bis in die Morgenstunden hinein, und natürlich war er wieder in Hedwigs Ehebett gelandet, obschon er nicht angemeldet war. Aber so war das eben. Man hatte sich geschworen, ein für alle Mal genug von den Weibern zu haben, sich nie mehr zwischen zwei fette Schenkel zu legen, weil daraus früher oder später ein Krieg entstand, den man nun wirklich nicht mehr haben wollte, da man ein Ehekriegsversehrter war, ein mutilé de guerre de mariage, und doch landete man wieder auf einem Frauenbauch. Die Ehebetten blieben, die Partner wechselten. Das war im Grunde richtig so, dachte Hunkeler, man soll die Betten teilen und nicht die Wohnungen.
Er erhob sich, ging in die Küche und setzte Wasser für Tee und Kaffee auf. Kaffee für Hedwig, Tee für ihn. Kaffee und Tee vertrugen sich gut.
Für ihn war Hedwig eine achtunggebietende Persönlichkeit. Sie konnte frei und verschwenderisch lieben, weil sie sich selber gut mochte, doch ihr Kern blieb bei ihr, und aus diesem Kern strahlte ein warmes Licht, das verzauberte. Hinzu kam, dass sie ihren Leib, der nun wirklich nicht mehr den in den Inseraten propagierten Normfrauen, diesen blöde lächelnden mageren Ziegen, entsprach, mit lockerer Grandezza spazieren führte und, wenn es ihr gefiel, auch durchaus auf herzliche, charmante Art anpreisen konnte. Wer mich will, hieß das, kann mich unter Umständen haben. Aber keiner dieser geilen Böcke soll sich einbilden, sich bei mir einrichten zu können, dazu sind sie mir alle zu blöd.
So sah das Hunkeler, als er am Herd stand und zuschaute, wie die ersten Blasen vom Pfannenboden aufstiegen. Diese Nacht hatte sie sich wieder einmal wie eine Lady benommen. Er hatte unten am Hochhaus neben dem Kannenfeldpark geklingelt, einfach deshalb, weil er nicht in seiner menschenleeren Wohnung übernachten wollte. Sie hatte kurz aus dem siebten Stock heruntergeschaut und aufgedrückt. Er war hochgefahren, und als er ihre Wohnung betrat, hatte sie
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