Hunkelers erster Fall - Silberkiesel
schon wieder im Bett gelegen. Er war zu ihr hineingekrochen, sie hatte sich kurzerhand auf ihn draufgesetzt und ihren schweren Hintern bewegt, und als es vorüber war, waren sie eingeschlafen.
Als der Kaffee durch die Wohnung duftete, kam sie an den kleinen Tisch in der Küche, den er gedeckt hatte. »Wie geht’s?«, fragte sie.
»Besser«, sagte Hunkeler und schenkte sich Tee ein.
»Du hast eben den falschen Beruf, das ist doch nichts für dich, dauernd diesen jungen Menschen, die Drogen brauchen, nachzurennen. Du besäufst dich ja ab und zu auch nicht schlecht.«
»Das war der Grappa«, meinte Hunkeler, »das war ein infamer Grappa-Hinterhalt von Edi.«
»Ihr Männer«, sagte Hedwig, »ihr Männer wollt euch immer besaufen. Zumindest die Männer, die ich mag. Warum?«
»Ich habe mich nicht ganz besoffen«, widersprach Hunkeler, »das heißt, ich hätte mich bestimmt, wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich in deinem Bett schlafen kann.«
»Gut, dass du gekommen bist.« Sie schnitt sich ein Stück Käse ab. Sie saß da wie ein Walross, wohltuend sicher und trotz der morgendlichen Verschlafenheit mit einem hellen Charme, wie eines dieser rosigen massigen Weiber Picassos, dachte Hunkeler.
»Du hast es gut«, sagte sie, »du kannst dich wieder ins Bett legen und eine halbe Stunde ausschlafen, und ich muss in die Schule zu den Kindern.«
»Falsch, du hast es gut, du wirst erwartet von aufgestellten jungen Leuten. Auf mich warten nur Arschlöcher.«
»Vor zwei Wochen haben sie in Zürich den Platzspitz geschlossen«, sagte sie, »wo sollen die Drögeler jetzt hingehen? Bei diesem Wetter? Die können sich nicht in eine Beiz setzen und einen Zweier Heroin bestellen. Ich verstehe das nicht.« Sie strich sich Butter aufs Brot und schmierte eine Messerspitze flüssigen Honig darüber. »Alle wissen, dass es drogensüchtige Menschen gibt. Und alle wissen, dass diese drogensüchtigen Menschen ihre Drogen dringend brauchen und alles tun, damit sie sie bekommen. Trotzdem nimmt man sie ihnen weg.«
»Schon wieder falsch«, widersprach Hunkeler, »man nimmt ihnen die Drogen nicht weg, man macht sie nur teurer.«
Er erhob sich und ging ins Badezimmer unter die Dusche. Das warme Wasser rann über seine Brust, über seinen geblähten Bauch. Das beruhigte ihn. Was hatte er eigentlich mit Drogen zu tun? Was scherte ihn der Platzspitz, die blödsinnige, infame Drögelerhatz? Er wollte sich in warmem Wasser suhlen, das war alles, was er wollte. Wie ein Nilpferd, wie ein Krokodil, zusammen mit einem rosigen Walross.
Er verließ Hedwigs Wohnung kurz vor neun und fuhr mit dem Tram zum Lohnhof. Schneeberger und Madörin saßen schon im Büro, vorbildlich und gnadenlos. Staatsanwalt Suter stand neben dem Telefon, den Hörer in der Hand. Er sprach hochdeutsch, mit klarer, fester Offiziersstimme. Offenbar war am andern Ende die deutsche Kripo.
»Ich weiß nicht«, sprach Suter, »wie das passieren konnte. Der Kerl muss etwas geahnt haben, er rannte unheimlich schnell zur Toilette. Jawohl, zur Männertoilette. – Stimmt genau, die liegen vermutlich irgendwo in der Kanalisation. Oder sie schwimmen im Rhein zu euch hinunter, hahaha.« Sein Lachen klang ziemlich gepresst. »Ja, auch das stimmt. Es war ein ziemlicher Flop. Aber ich bitte Sie, so etwas kann auch der deutschen Kripo passieren, das ist einfach Künstlerpech. Wie Sie meinen, ganz wie Sie meinen, Herr Kollega. Wir haben es hier nicht nötig, uns solche Kritik gefallen zu lassen. Leben Sie wohl.«
Er legte auf und schaute Hunkeler voller Groll an. »Jetzt haben wir den Salat«, sagte er, »die beschweren sich bei mir, obschon ich mit der Sache sozusagen nichts zu tun habe. Die wollen sich das nächste Mal überlegen, ob sie uns wieder einen Tipp geben.« Er runzelte bösartig die Stirn. »Wie sehen Sie denn aus, Herr Kommissär? Haben Sie wieder über den Durst getrunken? Und so etwas will ein Drogenfahnder sein. Sie sind eine Flasche, endgültig.« Er ging zur Tür, riss sie auf, federte hinaus und knallte sie zu. Dann war Stille.
Hunkeler zündete sich eine Zigarette an, es war die erste an diesem Morgen, sie schmeckte ihm nicht.
»Also dann«, sagte Schneeberger nach einer Weile, während der er auf irgendetwas zu warten schien, »dann wollen wir mal. Erstens: Wie ich dir gestern Abend schon am Telefon gesagt habe, dem Lärm nach hast du aus der Rio Bar angerufen…«
»Stimmt genau«, sagte Hunkeler.
»Diesem Kayat war nichts nachzuweisen. Gar nichts. Ein heavy
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