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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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Gesicht abtrocknete, wartete, ohne aufzusehen, und erhielt offenbar eine Antwort, die ihm nicht gefiel.
    »Okay«, sagte er, »es liegt nichts vor gegen Sie.«
    »Was sollte denn vorliegen?«, fragte Kayat in bestem Deutsch, was den jungen blonden Mann offensichtlich verwirrte.
    »Man weiß nie. Es treibt sich allerhand Volk herum. Darf ich mal sehen?«
    »Aber gern«, sagte Kayat und stellte die offene Reisetasche auf das Lavabo. Der Beamte hob einige Hemden hoch, griff darunter und brachte Unterwäsche zum Vorschein.
    »Was man halt so braucht«, sagte Kayat und zuckte fast entschuldigend mit den Achseln.
    »Ferien?«, fragte der Beamte.
    »Ja«, sagte Kayat, »Urlaub.«
    »Und das da?« Der Beamte hielt die aufgerissene Packung mit den Präservativen in der Hand.
    Kayat senkte schuldbewusst die Augen. »Man weiß ja nie.«
    »Also gut«, sagte der Blonde, sachlich und bestimmt, »packen Sie meinetwegen wieder zusammen.« Und nach einer Weile: »Warum sind Sie denn fortgerannt?«
    »Hustenanfall«, sagte Kayat, »ich habe mich beinahe übergeben.«
    Peter Hunkeler, Kommissär des Kriminalkommissariats Basel, gewesener Familienvater, jetzt geschieden, saß fest im Stau auf der Johanniterbrücke. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, obschon es noch nicht einmal 16 Uhr war, und um 16 Uhr 27 fuhr im Badischen Bahnhof der Intercity aus Frankfurt ein. Die Autos hatten die Lichter eingeschaltet, feiner Schnee rieselte aus dem Nebel. In Hochlagen, so hatte es der Wetterfrosch im Fernsehen vorausgesagt, war jetzt klare Sicht bis zu den Alpen. Dort oben lag ein roter Schimmer im Westen, wo die Sonne unterging, im Süden glänzten die mondweißen Schneeflanken, und bald würden die ersten Sterne aufglimmen.
    Peter Hunkeler war nervös. Es war nicht die verständliche Nervosität des Zuspätkommenden, der aus eigener Schuld einen wichtigen Termin verpasst, und das Treffen im Badischen Bahnhof war enorm wichtig. Das störte Hunkeler indessen nicht grundsätzlich. Er war schon zu lange im Dienst, um sich über eigenes Versagen aufzuregen. Manchmal klappte ein Einsatz, manchmal eben nicht. Der Unterschied für ihn, den Kriminalkommissär, war nicht groß. Klappte ein Einsatz, so hielt sich das Lob der Vorgesetzten in Grenzen. Klappte ein Einsatz nicht, so hielt sich der Tadel in Grenzen. Zudem stand er wenige Jahre vor der Pensionierung. Die Rente war ihm sicher, da er Beamter war. Ein beruflicher Aufstieg war nicht mehr möglich und eine Entlassung bei so vielen Dienstjahren äußerst unwahrscheinlich.
    Und das Berufsethos des Ordnungshüters, des mutigen Kämpfers für Gerechtigkeit? Das war ihm wurscht, ehrlich gesagt. Von diesem Geschwätz hatte er die Nase voll, und zwar schon lange und endgültig. Was er gesehen hatte in den langen Jahren bei der Polizei, das hatte ihm den letzten Rest seines jugendlichen Glaubens an Gerechtigkeit genommen.
    Ein Verbrechen, was war das? Wenn ein armer Schlucker, geplagt und gestresst von materieller Not und seelischem Elend, bloß einmal in seinem Leben kurz durchdrehte und eine Untat beging, die er wenig später nicht mehr begriff und bitter bereute, wurde er vom Gesetz zum Unmenschen gestempelt und eingelocht. Wenn ein reicher Geldsack, der ein Dutzend Juristen an der Hand hatte und sich in den Gesetzen auskannte wie ein Fuchs in seinem Bau, jahrelang die Leute beschiss und nach Strich und Faden ausnahm, war das ein Ehrenmann. Zudem musste man ja einen Verbrecher erst einmal erwischen und überführen. Peter Hunkeler war in dieser Beziehung skeptisch. Natürlich, so pflegte er in seiner Stammbeiz Sommereck zu dozieren, natürlich ist es leicht, einen Mann zu überführen, der aus Eifersucht seine Frau erschlägt und sich anschließend auf dem nächsten Polizeiposten stellt. Aber versuche einmal, einem reichen Herrn, der auf dem Bruderholz oben wohnt in einer Villa mit Swimmingpool und zwei, drei Schafen im Garten, zu beweisen, dass er seine Millionen mit dem Waschen von Drogengeld verdient hat.
    Hunkeler schaute nach rechts durch das eiserne Brückengeländer auf den Rhein. Die Wasseroberfläche schimmerte matt. Das war ein dunkles Wasser dort unten zu dieser Jahreszeit, ein kaltes Wasser, ein trübes Wasser, das da Richtung Meer trieb. Im Sommer floss es tanggrün und warm, er liebte es, an den Abenden darin zu schwimmen. Jetzt lag der Fluss wie geronnen da. Weiter oben stand quer die Mittlere Brücke, auch sie voller Autos, und dahinter ragte der Chor des Münsters in den Abend, nur

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