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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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die milchige Flüssigkeit in die Haare und achtete darauf, dass nichts davon in seine Augen rann. Er schrubbte seinen Kopf sauber, denn dort saß der Kanalgeruch porentief, er ließ das warme Wasser darüberströmen und spürte, wie sich die Wärme in seinem Körper ausbreitete. Er hörte, wie seine Kollegen nebenan in lautes Gelächter ausbrachen, sie waren bereits daran, sich umzuziehen. Erdogan war immer der Letzte unter der Dusche. Der Italiener, dachte er, der Luigi, hat wohl wieder einen dieser Witze erzählt, von einem Weib und einem geilen Mann.
    Er stellte die Dusche ab, trat durch die Tür zum Umkleideraum und sah, dass der Vorarbeiter Berger zwischen den beiden Bänken stand. Das war der einzige Schweizer in ihrer Equipe, kein schlechter Chef, aber manchmal ziemlich stur, wie eben Schweizer waren. Aber dieser machte wenigstens keinen Unterschied zwischen Italienern und Türken.
    »Du da«, sagte Berger und schaute zu Erdogan, »du musst noch einmal hinunter.«
    »Warum ich?«, fragte Erdogan.
    »Einer muss es tun«, sagte Berger, »und du bist noch nicht angezogen.«
    Die anderen schwiegen, keiner schaute auf, sie waren froh, dass sie nicht dran waren.
    »Ich habe eine Verabredung«, sagte Erdogan, »ich kann leider nicht.«
    »Los jetzt«, sagte Berger, »der Anschluss Badischer Bahnhof ist verstopft, Schwarzwaldallee–Markgräflerstraße. Du nimmst die Rute mit, in einer halben Stunde bist du wieder hier. Das gibt eine Überstunde.«
    Erdogan wusste, dass es keinen Sinn hatte zu widersprechen. Also rieb er sich trocken und stieg wieder in die Arbeitsklamotten. Er würde sich zwar bei seiner Freundin Erika verspäten, aber sie wusste, dass er ab und zu nach Feierabend seine Kollegen im Café Ankara besuchte. Zudem war eine Überstunde auch nicht schlecht.
    Draußen setzte er sich auf sein Moped, stülpte den Helm über und fuhr stadteinwärts. Es war eiskalt, Schnee trieb in der Luft. Auf der Fahrbahn gegenüber rollten die Autos mit deutschen Schildern im Schritttempo der Grenze entgegen, am Steuer die Grenzgänger, die in Basel arbeiteten und im Badischen wohnten.
    Als er über die Wiese fuhr, sah er, dass sie auf beiden Seiten zugefroren war, nur in der Mitte floss das Wasser frei. Fast wäre er in einen Laster gefahren, so sehr hatte ihn der Fluss abgelenkt. Es gelang ihm, noch rechtzeitig zu bremsen und das seitwärts ausbrechende Hinterrad aufzufangen.
    In der Schwarzwaldallee-Röhre unten sah er sofort, was los war. Der Zubringer Badischer Bahnhof war verstopft mit schmutzigen Windeln, Klosettpapier und einem Kleidungsstück, dessen hellgrüne Farbe sich grell von den schmutzigen Papierpampers abhob.
    Das Übliche, dachte er. Die Frauen gehen mit ihren Babys in die Bahnhofstoilette, wickeln sie neu und spülen das dreckige Zeug einfach hinunter. Oder sie kommen aus irgendeinem Dorf des Wiesentales angereist, kaufen in der Basler Innenstadt ein neues Kleid, ziehen es gleich an und stopfen das alte auf der Toilette des Badischen Bahnhofs ins Klo. Und sie, die Kanalarbeiter, konnten dann nach Feierabend noch einmal in die Klamotten steigen und den Schaden beheben.
    Erdogan schüttelte den Kopf. Er merkte, dass er einen schweizerdeutschen Fluch ausstieß, der in der menschenleeren Röhre seltsam deplaziert klang. Er schaute um sich und leuchtete mit der Stirnlampe ein Stück des Ganges aus, durch den er gekommen war. Er sah nur eine Ratte, die sich sorgfältig die Pfoten leckte. Eigenartig, dachte er, dass ich nicht mehr türkisch fluche.
    Er stieß die Rute in den verstopften Zubringer, aber der Pfropfen saß fest. Er griff hinein und zerrte am grünen Kleid. Beinahe wäre er hintenübergestürzt, konnte sich aber mit zwei schnellen Schritten auffangen. Wieder fluchte er, diesmal auf Türkisch. Er stieß die Rute aufs Neue hinein, verbissen jetzt und tiefer, er sah, wie dunkles Wasser herauszutropfen begann. Er stieß nach, bohrte die Rute über einen Meter weit hinein und riss den ganzen, kompakten Pfropfen Zentimeter um Zentimeter heraus. Das Zeug klatschte auf den Boden. Er trat zur Seite, um dem nachfolgenden Wasserschwall auszuweichen.
    Als das Wasser versiegte, stieß er die Rute noch einmal in den Unrat am Boden, um ihn ins tiefere Wasser zu schieben, damit er weggeschwemmt würde. Er sah ein zerrissenes Präservativ liegen, daneben funkelte etwas im Schein der Stirnlampe.
    Diese Arschlöcher, dachte Erdogan, jetzt werfen sie auch noch Gläser ins Klo.
    Es war schon vorgekommen, dass er

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