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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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sprang aber nicht an, er war zu kalt.
    Erdogan stieg aus und ging hinüber zum Fahrradparkplatz, wo sein Moped stand. Er klemmte seine Tasche auf den Gepäckträger, stieß den Motor an und sprang auf den Sattel. Sorgfältig steuerte er über die Kreuzung, die Füße am Boden schleifend, um das Wegrutschen der Räder auffangen zu können.
    Er schaute weder links noch rechts, die Fahrbahn war vereist. Zudem hätte er einem möglichen Verfolger ohnehin nicht entkommen können. Wenn einer hinter ihm her war, dann in Allahs Namen. Er musste da durch, da half nichts, und er hatte vor, die Diamanten mit allen Mitteln zu verteidigen.
    Peter Hunkeler fuhr Richtung Kleinbasel. Er hatte soeben Hedwig vor dem Schulhaus St. Johann abgeladen. Er hatte kurz einen Blick in den Pausenhof geworfen zu den Kindern, die dort in roten und gelben Plastikjacken im Schnee herumrannten. Dann hatte er erstaunt zur Kenntnis genommen, wie ihn Hedwig umarmte und küsste. Das war das Einmalige an ihr, dachte er, dass sie ihren Stimmungen so souverän nachgeben konnte.
    Er fuhr am Gelände der Alten Stadtgärtnerei vorbei, wo vor Jahren junge Leute ein autonomes Jugendzentrum aufgebaut hatten. Es hatte zwar gut funktioniert, war aber illegal gewesen und in einer Volksabstimmung von der Spießermehrheit abgelehnt worden. Und die Polizei hatte geräumt.
    Hunkeler hätte sich damals geweigert, wenn er zu diesem Einsatz aufgeboten worden wäre, denn er wusste, dass seine Tochter Isabelle dabei war. Wie hätte er seine Tochter vertreiben können?
    Aber so war das nun einmal, so war sein Leben. Er war Angehöriger der Basler Polizei, und die Basler Polizei wurde von Ordnungsspießern befehligt, die einzig und allein das Ziel hatten, unter allen Umständen Ruhe und Ordnung zu bewahren und die Macht der älteren Generation zu garantieren.
    Die Polizei war kein demokratisches Machtmittel mehr in dieser Stadt, dachte er, mit dem die Minderheiten, zum Beispiel die Jugend, geschützt wurden, sondern die Polizei war ein Machtmittel der Mehrheit geworden, das unter dem Vorwand der Legalität dazu eingesetzt wurde, die Minderheiten zu unterdrücken.
    Er bog ab auf die Dreirosenbrücke. Noch immer lag Eis auf der Fahrbahn, aber es war matt geworden, dumpf, sei es vom Salz, das gestreut worden war, sei es von der Wärme der Auspuffgase oder des aufkommenden Morgens. Der Himmel war nicht mehr so klar wie von Trois Maisons aus. Weiße Schlieren hingen dort oben, feines, unstrukturiertes Gewölk, erstes Anzeichen für einen baldigen Wärmeeinbruch.
    Die Brücke war in beiden Richtungen verstopft, Laster stand hinter Laster, zweispurig, jeder mit Anhänger. Lange Ungetüme mit dampfenden Auspuffrohren, die Planen mit französischen, deutschen und skandinavischen Schriftzügen bemalt. Einige hatten Ketten an den Antriebsrädern. Eine Transport-Armada von gewaltiger Tonnage war das, beladen mit Kühlbehältern, Chemikalien, Ersatzteilen. Dazwischen die Autotransporter mit einem Dutzend schräg gestellter Neuwagen hintendrauf, neues Rollmaterial für den immer sinnloser werdenden Autoverkehr.
    Hunkeler drehte den Motor ab. Das war Vorschrift, um die Umwelt zu schonen. Er glaubte zwar in keiner Weise an die Wirksamkeit dieser Maßnahme. Ein klein wenig indessen beruhigte sie sein Gewissen.
    Warum eigentlich sollte er sich ein Gewissen machen? Alle Welt fuhr Auto, obwohl im Grunde alle dagegen waren. Hätte er vielleicht mit dem Fahrrad ins Elsass fahren sollen, bei dieser Kälte, bei diesem Schnee? Und überhaupt, war er denn verantwortlich für die Umwelt? Hätte sein Verzicht auf das Auto irgendetwas bewirkt? Nein, er hätte nichts bewirkt.
    Er versuchte sich zu entspannen. Ich bin ganz ruhig und entspannt, murmelte er, und auch meine linke Hand ist schwer und warm. Weiter kam er nicht, die Sätze ödeten ihn an.
    Er schloss die Augen, und er sah vor sich einen Tümpel im Auwald liegen. Es war auf einem Spaziergang gewesen, als Isabelle sieben oder acht Jahre alt gewesen war. Sie waren zusammen nach Kembs hinuntergefahren und hatten den Wagen auf der Insel zwischen dem schiffbaren Kanal und dem alten Rhein geparkt. Dann waren sie dem alten Flusslauf entlanggegangen, in den Ohren das Motorengeräusch von der gegenüberliegenden deutschen Autobahn, vor den Augen das gurgelnde Wasser. Es war Abend gewesen, ein warmer Sommerabend, die Vögel hatten gepfiffen und gesungen, und drei Reiher waren flussabwärts geflogen. Er wusste das noch genau, er hatte das Bild der

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