Hunkelers erster Fall - Silberkiesel
nickte. »Jederzeit, solange du willst. Das weißt du.«
Peter Hunkeler saß in seinem Büro vor einem Blatt Papier und überlegte. Es war kurz nach 14 Uhr, sein Magen war voll, er hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Er hatte im Restaurant Kunsthalle zu Mittag gegessen, das Tellermenü mit Kalbsvoressen, Nudeln und Salat. Er hatte sich mit Leuten unterhalten, die er seit Jahren kannte, mit zwei Werbern und einem pensionierten Arzt. Sie hatten über den hiesigen Fußballklub geredet, ob er wohl wieder in die höchste Spielklasse aufsteigen würde oder nicht. Denn schließlich war Basel die zweitgrößte Stadt der Schweiz, und es war eine Schande, dass sie in der obersten Spielklasse nicht vertreten war. Dieses Thema war ein Dauerbrenner an diesem Mittagstisch. Besonders der eine Werber, der offenbar in frühen Jahren selber ein guter Fußballer gewesen war, pflegte sich bis zur Weißglut zu ereifern, als säße er am Jasstisch und sein Partner hätte ihm soeben mit dem Trumpfbauer das Nell abgestochen.
Hunkeler hatte nicht viel zum Gespräch beigetragen. Der FCB war ihm ziemlich egal. Er hatte zugehört, und dieses Zuhören hatte ihn beruhigt.
Jetzt griff er zum Kugelschreiber und schrieb auf:
1) Kayat hat Huber auf dem Badischen Bahnhof Diamanten übergeben wollen, wurde aber dabei gestört und spülte sie in die Toilette. Madörin schaut nach.
2) Der Empfänger der Diamanten ist unbekannt.
3) Kayat ist aus dem Hotel Drei Könige verschwunden. Schneeberger und Lüdi suchen ihn.
4) In die Garderobe der Kanalarbeiter ist eingebrochen worden. Es könnte Kayat gewesen sein, der die Diamanten suchte.
5) Es ist ohne weiteres möglich, dass Diamanten, die in die Toilette geschmissen wurden, von den Kanalarbeitern gefunden werden. Überzahn.
6) Ein Kanalarbeiter mit Namen Erdogan Civil hat zur fraglichen Zeit den Anschluss Badischer Bahnhof, der verstopft war, wieder aufgemacht. Es ist möglich, dass er dabei die Diamanten gefunden hat.
7) Bei einem Kanalarbeiter hat heute Morgen früh ein Mann angerufen und sich nach den Diamanten erkundigt. Es ist möglich, dass das Kayat gewesen ist, der die Namen in der Garderobe gesehen hat.
8) Hat Civil die Diamanten tatsächlich gefunden, so ist es möglich, dass Kayat das früher oder später herausfindet. Vielleicht weiß er es schon. Wenn ja, ist Civil in Gefahr.
9) Es bleibt die Frage, für wen die Diamanten bestimmt gewesen sind. Ein Hinweis könnte Huber sein. Huber wohnt in einem Haus an der Gempenfluhstraße, das der Infex AG gehört. Er arbeitet für diese Firma. Die Infex AG gehört Dr. Zeugin.
10) Das ist eine ganz verrückte Geschichte.
11) Daraus folgt: Erdogan Civil beschatten, möglichst unauffällig, um einen möglichen Verfolger, zum Beispiel Kayat, nicht zu warnen. Haller soll das tun. Kayat suchen (Lüdi und Schneeberger). Dr. Zeugin befragen.
Hunkeler zündete sich eine Zigarette an. Er brauchte das einfach, er konnte so besser denken.
Die Tür ging auf, Madörin kam herein, stinksauer. Wortlos schlürfte er den Kaffee, den er mitgebracht hatte.
»Frisch geduscht?«, fragte Hunkeler.
Madörin versuchte zu grinsen, es gelang ihm nur halb. »Nächstes Mal gehst du dort hinunter, das schwöre ich.«
»Und? Hast du etwas gefunden?«
»Nein. Nur Scheiße und Ratten.« Er warf den leeren Pappbecher präzis in den Eimer.
»Bravo«, lobte Hunkeler. »Erzähl endlich.«
Madörin schloss die Augen und schien nachzudenken. »Wenn die Steine dort unten lagen, so hat sie längst der Türke geholt. Oder denkst du anders?«
Hunkeler zuckte mit den Achseln.
»Und dass ich dort hinuntermusste, war reine Schikane.«
»Blödsinn. Wie viele Zugänge gibt es?«
»Vom Bahnhof her gibt es keinen direkten Zugang zur Kanalisation. Hingegen gibt es draußen drei Dolenzugänge. Die lagen alle drei unter Schnee, unberührt. Vor uns war niemand dort unten.«
»Das habe ich auch nicht angenommen. Kayat ist ein Monsieur. Der macht sich seinen Anzug nicht schmutzig.«
»Und ich?« Madörin war jetzt richtig wütend. »Bin ich kein Monsieur?«
»Du bist Polizist.«
Madörin erhob sich, ging hinaus und warf die Tür zu.
Hunkeler drückte die Zigarette aus, nahm das Telefonbuch, suchte die Nummer der Infex AG heraus und stellte sie ein. Er war nervös. Lieber in die Scheißröhre hinuntersteigen, dachte er, als den Dr. Zeugin anrufen.
Eine Frauenstimme meldete sich, freundlich und aufgeräumt.
»Infex AG , bitte?«
»Kann ich Dr. Zeugin sprechen?«
»Wen darf ich
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