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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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mir.«
    Hunkeler drückte die Zigarette aus. Er nahm sich Zeit, bis die ganze Glut ausgegangen war. »Die Sache ist die«, fing er an, »dass eine Sendung hochkarätiger Diamanten auf dem Badischen Bahnhof verschwunden ist, vermutlich in der Toilette, also in der Kanalisation. Diese Diamanten sind Drogenerlös. Das heißt, die gehören Leuten, die in großem Stil mit Drogen handeln. Das sind Verbrecher, die vor nichts zurückschrecken. Auch nicht vor Mord, Herr Civil.«
    »Nein«, sagte der kleine Mann, »mit Drogen habe ich nichts zu tun.«
    »Das behaupte ich auch nicht. Aber wenn Sie die Diamanten gefunden haben sollten, was ja immerhin sein könnte, nicht wahr, Sie finden ja auch hin und wieder Eheringe und Gebisse, wenn Sie also die Diamanten gefunden haben sollten, so sind Sie in höchster Gefahr. Verstehen Sie?«
    Civil setzte sich auf die Bank und legte den Kopf in beide Hände. »Jetzt ist das Zahnweh wieder da«, sagte er, »da oben links. Es klopft bei jedem Schlag des Herzens.«
    »Wie Sie meinen«, sagte Hunkeler. »Wenn Sie sich anders besinnen, so rufen Sie uns an. Vielleicht kommen wir Sie einmal besuchen, in Ihrer Wohnung, meine ich. Wo wohnen Sie?«
    »Lörracherstraße. Ich verstecke nichts zu Hause.«
    »Wo denn?«, bellte Madörin.
    Civil hob den Kopf. »Es wäre schön, Diamanten zu finden. Dann wäre ich ein reicher Mann und müsste nicht mehr in einem fremden Land die Scheißröhre putzen.«
    »Wie meinen Sie das?«, bellte Madörin und trat einen Schritt vor.
    »Ich meine, da ich leider keine Diamanten gefunden habe, muss ich weiterhin die Scheißröhre putzen.«
    »Hör auf«, sagte Hunkeler zu Madörin, »du sollst die Leute nicht einschüchtern. Es geschieht jetzt Folgendes. Du steigst mit einem Arbeiter zum Anschluss Badischer Bahnhof hinunter.«
    »Warum gerade ich?«, schimpfte Madörin.
    »Einer muss es tun. Und Sie«, er wandte sich an Berger, »sorgen dafür, dass hier neue Schlösser hinkommen.«
    Er trat hinaus auf den Vorplatz. Er fühlte sich müde, schlapp. Vor ihm stand das Moped, ein altes Modell mit aufgerissenem Sattel. Ein Plastiksack mit dem Schriftzug einer Zigarettenmarke war hintendrauf festgeklemmt. Hunkeler stieg in sein Auto.
    Erika Waldis bediente den letzten Kunden an diesem Morgen, einen alten Mann, der ein Pfund Brot, Typ Basler Laibli, hundert Gramm Butter und eine Schachtel Wellensittichfutter gekauft hatte. Sie schloss die Kasse und zog den Schlüssel ab. Die Uhr in der Eingangshalle, wo die Einkaufswagen verstreut herumstanden, zeigte halb eins. Das Licht wurde abgeschaltet, die Regale lagen im Dämmerlicht, düster wie im Tannenwald.
    Sie dehnte ihren Oberkörper, streckte die Arme so weit hoch wie möglich, stellte sich auf die Zehenspitzen, fünf Sekunden lang. Dann ging sie langsam in die Knie und versuchte, die Fersen auf dem Boden zu behalten, ebenfalls fünf Sekunden lang. So hatte sie es in der Therapie gelernt.
    Mühsam erhob sie sich wieder. Sie war einfach zu schwer. Das wusste sie selber, dazu brauchte sie keinen Arzt. Aber wie sollte sie abnehmen, wenn sie dauernd auf diesem Sessel saß und die Preise von Würsten und Nudeln eintippte?
    Auch die Eingangshalle hatte sich inzwischen geleert. Erika begann die Einkaufswagen ineinanderzuschieben, bis sie in zwei schnurgeraden Kolonnen nebeneinanderstanden. Das war zwar nicht ihre Aufgabe. Aber sie hasste jede Unordnung.
    Sie stieg die Treppe hoch ins Selbstbedienungsrestaurant, nahm ein Tablett samt Besteck und stellte sich an. Es gab heute Poulet mit Pommes frites, Rindsvoressen mit Kartoffelbrei oder, wie jeden Mittwoch im Winter, Blut- und Leberwurst mit Sauerkraut. Erika wählte Rindsvoressen. Antonio mit der weißen Haube auf dem Kopf stand an der Anrichte und zwinkerte ihr zu, als er mit der Kelle eine Mulde in den Brei drückte.
    Sie fand einen leeren Tisch am Fenster, das auf ein Flachdach hinausging. In der warmen Jahreszeit standen dort draußen Tische und Sonnenschirme. Jetzt lag Schnee, der im grauen, diesigen Licht matt schimmerte.
    Einige der Gäste kannte sie vom Sehen, obschon sie sich nie grüßten. Es waren alleinstehende Männer mit abgeschabten Hemdkragen und verblichenen Seidenkrawatten aus Luino am Lago Maggiore. Sie hatten sich wie jeden Mittag schön angezogen, als ob Sonntag wäre. Sie hockten da, jeder für sich allein, sorgfältig das Fleisch in kleine Stücke schneidend und lange kauend, mit dürren, faltigen Hälsen, die Blicke gesenkt. Daneben die Witfrauen zu zweit und

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