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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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zu gönnen.
    Muhammed Ali brachte ihm den Tee. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Alles in Ordnung.« Erdogan nickte. »Übrigens reise ich am Samstag in die Türkei. Gibt es noch einen Platz auf dem Flug nach Izmir?«
    »Moment.« Muhammed Ali ging hinter die Theke und betätigte einen Computer. »Ist reserviert«, sagte er, als er an den Tisch zurückkam, »du kannst das Billett am Freitagabend hier abholen. Wie geht’s Erika?«
    »Alles in Ordnung mit Erika. Auch zu Hause in Selçuk alles in Ordnung.«
    »Man sieht dich selten«, sagte Muhammed Ali, »du bist immer noch verliebt?«
    Erdogan lächelte, nahm das Glas und schlürfte den heißen Tee.
    »Okay«, sagte Muhammed Ali, »bis Freitagabend.«
    Als Erdogan in die Lörracherstraße einbog, war es bereits kurz nach 19 Uhr. Die Straßen waren leer. Nichts Verdächtiges rührte sich, alles war ruhig. Er stellte das Moped auf den Parkplatz für Fahrräder, nahm den Helm ab und schaute sich noch einmal genau um.
    Gleich nebenan saß ein Mann in einem Auto, der im Licht der Straßenlaterne einen Stadtplan studierte. Er schaute nicht auf, er sog bedächtig an seiner geschwungenen Pfeife und stieß hellen Rauch aus.
    Erdogan erschrak. Er nahm allen Mut zusammen und schaute noch einmal genau hin. Das war ein biederer Mann dort im Auto, ein Schweizermann, ein gemütlicher Pfeifenraucher, der auf dem Stadtplan eine Adresse suchte. Das war bestimmt kein Verbrecher.
    Schräg gegenüber stand der Amerikanerwagen. Der war zu auffällig, der verriet seinen Reichtum, der musste weg.
    Entschlossen ging Erdogan hinüber und begann, den Schnee vom Verdeck zu schieben. Als er die Scheiben freigekratzt hatte, setzte er sich hinein und drehte den Anlasser. Nach einigem Stottern begann der Motor zu laufen. Er hatte schon den Vorwärtsgang eingelegt, als er im Rückspiegel ein Auto herangleiten sah. Es war ein roter Kleinwagen mit Vierradantrieb und Antenne. Erdogan wartete mit dem Blinker, um das fremde Auto vorbeizulassen. Da hielt es auf seiner Höhe an. Der Mann am Steuer lächelte und winkte kurz. Und trotz der Dunkelheit war zu erkennen, dass es ein fremdländischer Mann, ein Araber, war.
    Erdogan saß starr. Gebannt schaute er zu, wie das fremde Auto wieder anfuhr und vorn auf der Kreuzung verschwand. Dann blickte er hinüber zum Pfeifenraucher. Der studierte immer noch den Stadtplan, dem war nichts aufgefallen.
    Erdogan schaltete in den Leerlauf zurück und ließ den Motor weiterlaufen. Das war nicht auffällig, das war normal, der Motor musste erst warm werden.
    Vielleicht war dieser Araber der Mann, der in der Frühe angerufen hatte. Vielleicht, aber sicher war das nicht. Wenn er es war, dann wusste dieser Mann jetzt, dass er einen Amerikanerwagen besaß, einen Luxusschlitten. Das hieß: Armer türkischer Gastarbeiter findet in der Scheißröhre Diamanten und kauft als Erstes ein protziges Luxusmodell.
    Hätte er bloß auf Erika gehört und diesen Schlitten nie gekauft. Wie brachte er ihn jetzt los?
    Er schaute noch einmal hinüber zum Pfeifenmann, ob der vielleicht etwas mitbekommen hatte. Er hatte nichts mitbekommen. Offenbar hatte er auf dem Plan die gesuchte Straße gefunden. Er startete den Motor, schaltete die Lichter ein und fuhr weg.
    Erdogan beschloss, das Auto anderswo zu parken und eine Zeitlang nicht mehr anzurühren.
    Er fuhr an und rollte langsam über die Kreuzung. Vom Auto des fremden Mannes war nichts mehr zu sehen, vom Auto des Pfeifenrauchers auch nicht. Vielleicht war das alles falscher Alarm gewesen. Vielleicht waren einfach seine Nerven überreizt, und er sah Gespenster.
    Er stellte das Auto an der Hammerstraße an eine dunkle Stelle, weit von der nächsten Laterne entfernt. Er schloss alle Türen und auch den Kofferraum zu und ging zu Fuß nach Hause.
    Peter Hunkeler stieg die Stufen zu Erikas Wohnung hoch. Er liebte diese alten Treppenhäuser, die nach Staub und Bodenwichse rochen. Die Eisengeländer mit den abgegriffenen Handläufen. Die Kugellampen aus Milchglas, in denen 40-Watt-Birnen brannten. Die Löcher in den gegipsten Wänden, die von den Ecken sperriger Möbelstücke herstammten.
    Es wohnten hier fast ausschließlich Ausländer. Er hatte das in der Durchfahrt unten an den Briefkästen abgelesen. Gastarbeiter, die in der Schweiz die Dreckarbeit machten und froh waren, billig unterzukommen. Dass Frau Waldis hier wohnte, war eigentlich erstaunlich. Er hätte sich eine Kassiererin eher in einer Einzimmerwohnung eines Neubaus vorgestellt, mit

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