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Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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zur Decke gerichtet.
    »Reichtum ist gut«, sagte er, »Reichtum macht stark wie ein Pferd.« Er lachte vergnügt. »Nein, das stimmt nicht. Reichtum macht stark wie zwei Pferde oder sogar wie eine Herde.«
    Er drehte den Kopf. »Schau an«, sagte er, »du hast dich richtig schöngemacht.«
    Sie strahlte ihn an, streichelte ihm über die Stirnglatze. »Ich habe mich so schöngemacht, wie es in meinem Alter noch geht. Komm jetzt essen, ich habe Hunger.«
    Sie stiegen die Treppe hinunter, sie voraus, er hintendrein, feierlich.
    Im Restaurant erhielten sie einen Tisch gegen den Bach hinaus. Man sah das Cabriolet in der Dunkelheit stehen, halb verdeckt von einem Baum.
    »Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass wir ausfahren«, sagte Erika, »erst auf die Gempenfluh, jetzt nach Frankreich. Das war ein guter Kauf.«
    »Stimmt«, sagte Erdogan, »aber zu auffällig. Ich bringe es morgen zurück.«
    Er sah, wie sie traurig wurde, sie senkte den Blick.
    »Nicht traurig sein«, sagte er und ergriff ihre Hand, »bitte nicht. Du kommst einfach mit.«
    »Wie sieht deine Frau aus? Ähnlich wie ich?«
    »Sie ist ein bisschen kleiner und ein bisschen dicker, aber sie ist dir ähnlich.«
    »Und deine drei Kinder, wie heißen sie?«
    »Memed, Elvira, Yasar.«
    »Gehn sie zur Schule?«
    »Ja, ich glaube. Nur Yasar noch nicht. Er ist zu jung.«
    Er gab bereitwillig Auskunft, freundlich, es machte ihm nichts aus, ihr über seine Familie zu erzählen. Vielleicht wäre das die Lösung, dachte sie, die Vielweiberei, bei Muslimen war das doch erlaubt.
    Der Kellner trug eine Platte mit gebratenen Fasanen vorbei.
    »Schau an, wie die schön sind«, sagte Erdogan, »bei den Vögeln ist es gerade umgekehrt als bei den Menschen. Bei den Fasanen ist das Männchen schön und farbig, nicht das Weibchen.«
    »Findest du mich schön und farbig?«
    »Ja, sehr schön und farbig, wie ein Fasanenmann. Siehst du, jetzt lachst du wieder. Heute wollen wir lachen, die Tränen kommen noch früh genug. Und wir essen jetzt zusammen einen Fasanenmann.«
    »Nein, ich mag Wild nicht. Und so ein Fasan dauert mich. Wir essen einen Fisch zusammen.«
    »Auch gut, ein Fisch.«
    Sie studierte die Karte. »Hier. Loup de mer. Wenn wir schon keinen Aktions-Lachs essen, so essen wir eben einen Loup de mer.«
    »Und der dauert dich nicht?«
    »Nein, das ist ein Wolf, ein Meerwolf. Und dazu trinken wir eine Flasche Elsässer Weißwein.«
    »Bier, ja«, sagte er, »aber Wein nicht.«
    »Doch, jetzt machst du eine Ausnahme. Vielleicht ist es das letzte Mal«, sagte sie tapfer, »dass wir zusammen essen.«
    »Wer weiß, was morgen ist. Trinken wir Wein.«
    Erika gab die Bestellung auf. Der Kellner brachte den Eiskübel mit der eleganten, langen, schmalen Flasche drin. Erdogan musste probieren.
    »Ich verstehe doch nichts davon«, protestierte er, »ich merke nicht, ob er gut oder schlecht ist.«
    »Nichts da«, befahl sie, »der Monsieur probiert und sagt der Dame, ob er gut ist.«
    Er nahm einen Schluck, nickte, der Kellner schenkte nach. Dann wurde eine große Platte gebracht mit einem kräftigen, wunderschönen Fisch darauf, wie sie noch keinen gesehen hatte bei Weggis im Vierwaldstättersee. Nur Barsche kannte sie, Egli, wie man sie nannte zu Hause, die gefräßigen Raubfische mit der stachligen Rückenflosse. Dieser Fisch hier war edler.
    »Kennst du diese Sorte Fische? Die sind aus dem Meer, und du bist doch auch vom Meer.«
    »Wir sind zu Hause Bauern«, sagte er, »wir essen nie Fisch.«
    »Was dann?«
    »Was man halt so isst. Kartoffeln, Brot, Gemüse.«
    »Und Fleisch?«
    »Fleisch ist teuer. Vielleicht einmal ein Schaf, an einem Festtag oder so.«
    »Koyun.«
    Er nickte. »Du musst das alles kennenlernen. Ich meine es ernst. Du musst mitkommen, ich bezahle die Reise, und ich zeige dir alles.«
    »Auch die Kinder?«
    »Natürlich, die Kinder zeige ich dir auch.« Er hob sein Glas.
    »Prost. Auf ein schönes, langes Leben. Sagt man das so?«
    »Ja. Wir stoßen an auf ein schönes, langes Leben.« Sie hob ihr Glas.
    Der Kellner filetierte den Fisch, servierte. Sie aßen andächtig und waren sich einig, dass das der beste Fisch war, den sie je gegessen hatten. Die Flasche tranken sie leer, wenn auch mit Mühe, sie waren Wein nicht gewohnt. Aber sie behauptete, es sei unanständig, eine so teure Flasche halbvoll stehen zu lassen.
    Leicht beschwipst stiegen sie die Treppe hinauf ins Zimmer. Durch das offene Fenster wehte kühle, feuchte Nachtluft herein.
    »Weißt du,

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