Hurra wir kapitulieren!
Januar 2006 , hatte man im Iran längst ein ganzes Programm zur nationalen Genesung ausgearbeitet. Zunächst sollte eine internationale »Holocaust-Konferenz« stattfinden, dann eine »Wahrheitsfindungskommission« ihre Arbeit aufnehmen, gab Mohammed Ali Ramin, »wissenschaftlicher Berater« des Präsidenten, bekannt. »Falls diese Kommission tatsächlich herausfindet, dass die Deutschen sechs Millionen Juden ermordet haben, wird eine zweite multinationale Kommission sich eine entsprechende Bestrafung für die Deutschen überlegen müssen«, sagte Mohammed Ali Ramin, der zehn Jahre in Deutschland gelebt und studiert hatte. Und niemand stand auf und sagte: »Genug geblödelt, Kinder, ab in die Heia, die Spielstunde ist vorbei.« Im Gegenteil, je absurder sich der Iran benahm, umso mehr nahm das Verständnis für seine Politik zu.
»Der Westen provoziert den Iran, statt zu deeskalieren«, befand Andreas Zumach in der »taz«, nannte Ahmadinedschads Äußerungen zum Holocaust »dümmlich«, die gegen Israel gerichteten Gebärden »vor allem innenpolitisch
motiviert« und tadelte westliche Politiker dafür, dass sie diese Signale »törichterweise als Beleg für iranische Atomwaffenambitionen werteten«. Nein, die Iraner hatten keine »Atomwaffenambitionen«, sie wollten nur ihre Cafes mit atombetriebenen Kaffeemaschinen ausrüsten.
Nachdem Kanzlerin Merkel bei der Münchener Sicherheitskonferenz Anfang Februar endlich Klartext geredet, den Westen vor »Appeasement« gewarnt und dazu aufgerufen hatte, »den Anfängen zu wehren«, warnte ein Sprecher der SPD-Fraktion: »Eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik ist der falsche Weg und mit der SPD in der großen Koalition nicht zu machen.« Der damalige SPD-Vorsitzende Platzeck lehnte jede Diskussion über eine militärische Option ab, die müsse »vom Tisch«. Derweil gab der ehemalige Chef der iranischen Atom-Verhandlungsdelegation bekannt, der Iran habe schon in den achtziger Jahren damit begonnen, ein umfassendes Programm zur Herstellung des vollständigen atomaren Brennstoffkreislaufs durchzuführen. Das Material und das Know-how habe man sich auf dem Schwarzmarkt besorgt, über Zwischenhändler, die Kontakte zu Pakistan hatten. Erst im Jahre 2003 sei die Internationale Atomenergie Agentur dem Iran auf die Schliche gekommen und habe die vollständige Offenlegung des Atomprogramms verlangt.
»Wir haben viel Zeit gewonnen«, freute sich der ehemalige Chef der Atom-Verhandlungskommission. So viel entwaffnende Ehrlichkeit von einem, der es wissen musste, machte auf die Anhänger der Deeskalations-Theorie keinen Eindruck. Nur ein paar Exil-Iraner, unter ihnen Mary-am Rajavi, die Präsidentin des Nationalen Widerstandsrates, einer Koalition aus Oppositionsgruppen im Exil, hatten sich den Blick auf die Wirklichkeit nicht nehmen lassen.
»Krieg ist nicht die Alternative zur Nachgiebigkeit, sondern ihre natürliche Folge. Acht Jahre westlicher Konzessionen, um den vermeintlich >gemäßigten< früheren Präsidenten Mohammed Chatami zu stärken, haben Chameini die Gelegenheit gegeben, die extremsten Fraktionen an die Macht zu bringen und alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die dem Iran den direkten Zugriff auf Atomwaffen ... verwehrten«, schreibt Maryam Rajavi. Nun müsse gehandelt werden. »Heute, 70 Jahre nachdem das Appease-ment der Welt gegenüber einem Tyrannen zum Krieg geführt hat, muss die Welt sich mit den religiösen Faschisten, die mein Land beherrschen, auseinander setzen, um zu verhindern, dass 2006 das 1936 unserer Generation wird.«
Doch gerade in Deutschland, wo man aus jedem nichtigen Anlass »Nie wieder 33 !« und »Wehret den Anfängen!« ruft und mit Vorliebe einen Satz aus dem Talmud zitiert - »Die Erinnerung ist das Geheimnis der Erlösung« -, wollte man von solchen Analogien nichts wissen. 1936 war die Welt zu Gast bei einem Diktator, 70 Jahre später, 2006 , gab das Oberhaupt einer Diktatur seine Absicht bekannt, zu der Fußball-WM nach Deutschland zu kommen. Wäre das nicht eine großartige Gelegenheit für Deutschland und die Deutschen gewesen, der ganzen Welt zu beweisen, dass sie aus der Vergangenheit gelernt haben und nicht nur um die Holocaust-Toten der Vergangenheit trauern, sondern jedem die rote Karte zeigen, der mit einen neuen Holocaust liebäugelt?
Stattdessen kam es zu einer wochenlangen absurden Debatte darüber, was passieren würde, wenn Ahmadinedschad tatsächlich zur WM kommen sollte. »Es ist, wegen seiner
Weitere Kostenlose Bücher