Hutch 01 - Gottes Maschinen
Lebens dort zu verbringen, und er wäre auch dageblieben, wenn sich nicht die Aussicht auf eine Versetzung zum Mond geboten hätte.
Man hatte einen Techniker für das Tindle Array im Tsiolkowsky-Gebiet gesucht. Die Anstellung war für zunächst ein Jahr vorgesehen, und er durfte selbstverständlich seine Familie mitnehmen, wenn er es wünschte. Natürlich hatte Coldfield keine Familie. Das schien zuerst ein Problem zu sein, denn einer der Wirrköpfe in der Verwaltung hatte angefangen, sich wegen seines Geisteszustandes Gedanken zu machen. Aber Coldfield war so gesund wie nur irgend jemand sein konnte, und er hatte die Psychologen schließlich auch davon überzeugt. Sie stimmten seiner Versetzung zu.
Der Reiz seiner Versetzung wurde noch durch die Tatsache vergrößert, daß das Tsiolkowsky-Gebiet auf der erdabgewandten Seite des Mondes lag. Er würde die Erde während der ganzen Zeit kein einziges Mal zu Gesicht bekommen.
Aber nichts davon sollte so aufgefaßt werden, daß Coldfield ein Menschenhasser war. Er war sogar ganz definitiv keiner. Er mochte Menschen und war der Meinung, daß er über die Jahre eine Menge glücklicher Bekanntschaften geschlossen hatte, und er machte regen Gebrauch von den Relaisstationen an einem Dutzend Punkten auf der Erde, um mit alten Freunden zu sprechen. Die Wahrheit über ihn war komplizierter. Sie schloß eine gute Portion von Selbstzweifel ein, ein unbehagliches Gefühl gegenüber Fremden, kombiniert mit seiner echten Liebe für weit abgelegene Gegenden und einem ausgeprägten Hang zum Grübeln (was er niemals freiwillig zugegeben hätte).
Das Tindle Array bestand aus einhundertelf voll steuerbaren Antennen, jede mit einem Durchmesser von sechzehn Metern. Sie bedeckten eine Fläche von vierzig Quadratkilometern, und sie waren auf individuellen Schienen aufgebaut, die zwischen acht und sechzig Metern Länge besaßen. Das ursprüngliche Projekt war erst zu zwei Dritteln fertiggestellt, doch der Regierung war in der Zwischenzeit das Geld ausgegangen, und niemand glaubte noch ernsthaft daran, daß es jemals vollendet werden würde. Aber auch so gab es bereits Zehntausende beweglicher Teile, deren Funktionsfähigkeit unter extremen Bedingungen aufrechterhalten werden mußte. Sicher, man konnte nicht behaupten, daß Coldfield ununterbrochen zu tun gehabt hätte, aber Reparaturen waren noch immer häufig genug erforderlich, um seine Anwesenheit hier zu rechtfertigen.
Seine Arbeit war ziemlich einfach. Wenn irgendein Teil versagte, isolierten die Systeme in der Regel den Fehler selbst, und er brauchte bloß zu der fehlerhaften Einheit hinauszugehen und eine Platine oder einen Kristall zu ersetzen.
Nach und nach hatte man ihn sogar direkt mit dem Betrieb des Tindle Arrays betraut. Das Harvard-Smithsonian hatte seine Hilfe gebraucht, um einige Werte unmittelbar von Hand in die Maschinen einzugeben, und manchmal mußte er sogar von hier oben Programme für sie starten. Coldfield wußte, daß sie (obwohl seine Verbindungsleute dies abstritten) ihm mehr Kontakt mit anderen Menschen verschaffen wollten. Er war der erste, der alleine beim Array seinen Dienst versah, und er stand natürlich unter sorgfältiger Beobachtung.
Coldfield verbrachte den Abend mit einer Biographie von Evelyn Lister, einer Frau, die zu ihrer Zeit enorme Popularität genossen hatte, aber heutzutage in weiten Kreisen für die katastrophalen Umstände verantwortlich gemacht wurde, die schließlich zum Untergang der Vereinigten Staaten von Amerika geführt hatten. Die Biographie zeigte keine Gnade, und es bereitete Coldfield eine Menge Vergnügen, die Angriffe auf Listers Person zu lesen. Er hatte prinzipiell Vorbehalte gegen Menschen, die mächtig waren – selbst wenn sie schon lange nicht mehr lebten.
Das Array war auf einen zehn Milliarden Lichtjahre entfernten Quasar mit der Bezeichnung OQ 172 gerichtet. Coldfield nahm seine Arbeit ernst, und er hatte sich im Lauf der Zeit einige grundlegende Kenntnisse in Astronomie angeeignet. Aber er verstand die prinzipielle Bedeutung von Quasaren noch immer nicht, und mit den analytischen Ergebnissen konnte er erst recht nichts anfangen. Er wußte, daß es etwas mit der Schöpfung zu tun hatte, und das machte ihn neugierig. Er war in einer Familie aufgewachsen, die der Religion skeptisch gegenüber gestanden hatte, aber hier, auf der Rückseite des Mondes, schien das Übernatürliche nur allzu gegenwärtig.
Das kurze Summen des Commlinks verwirrte ihn im ersten Augenblick.
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