Hutch 02 - Die Sanduhr Gottes
jemand.«
»Es könnte auch an der Brechung des Sonnenlichts liegen. Eine Art Fata Morgana.«
Alle starrten die Monitore an.
»Künstlich, denke ich«, sagte Beekman.
Kapitel II
»Extraterrestrische Archäologie klingt aufregend, weil die Akteure Transistorradios ausgraben, die von Geschöpfen benutzt wurden, welche schon seit einer Viertelmillion Jahren nicht mehr existieren. Aus diesem Grund umgibt sie eine Aura geheimnisumwitterter Romantik. Sollte es uns aber je gelingen, schneller zu sein als Radiowellen, sodass wir hören können, was sie gehört haben, dann werden wir zweifellos feststellen, dass sie, wie wir, ein Volk von Dummköpfen waren. Diese traurige Erkenntnis dürfte den Glanz trüben.«
Gregory MacAllister, Betrachtungen eines barfüßigen Journalisten
Im Schutz ihres E-Suits hielt Priscilla Hutchins den Atem an, als sie sich im Inneren des wieder aufgebauten Tempels umsah. Das Licht des späten Nachmittags drang durch die schmutzigen Fenster der Querschiffe, glitt über die oberen Galerien und in den inneren Turm. Ein steinernes Podest beherrschte die Stelle, wo man üblicherweise einen Altar vermuten würde.
Acht massive Pfeiler stützten das steinerne Dach. Bänke, viel zu hoch, als dass Hutch bequem auf ihnen hätte sitzen können, waren strategisch um das Mittelschiff gruppiert, um den Andächtigen Platz zu bieten. Sie bestanden aus Holz und hatten keine Rückenlehne. Die Bauform schien für Kreaturen geschaffen, die kein Gesäß im menschlichen Sinne besaßen. Die Gläubigen mussten mit dem Brustkorb auf ihnen balanciert und sich mit einer Art Kieferknochen festgeklammert haben.
Hutch studierte das Bild über dem Podest. Es zeigte eine Kreatur mit sechs Gliedmaßen, vage insektenähnlichen Zügen und Augen, die denen eines Tintenfischs glichen. Von den oberen Gliedmaßen gingen mehrere steinerne Linien aus, die Lichtstrahlen andeuten sollten.
Dies, so glaubten die Experten, diente zur Veranschaulichung der Allmächtigen, der Schöpferin dieser Welt. Der Göttin.
Die Gestalt war weiblich, wenn Hutch auch nicht zu sagen wusste, was die Forscher zu diesem Schluss gebracht hatte. Sie hatte eine Schnauze, Zähne und Fühler, deren genaue Funktion die Wissenschaftler noch nicht hatten ergründen können. Jede ihrer vier oberen Gliedmaßen verfügte über sechs gekrümmte Finger. Die unteren mündeten in so etwas Ähnlichem wie Füßen, die in Sandalen steckten.
Der Schädel war kahl, abgesehen von der Haube, die die Kopfhaut bedeckte und bis über die zwei Höröffnungen reichte. Sie trug eine Art Jacke, die mit einer Schärpe gebunden war, und Hosen, die an Reithosen erinnerten. Die mittleren Gliedmaßen waren kleiner als die anderen.
»Verkümmert?«, fragte Hutch.
»Vermutlich.« Mark Chernowski nippte an seinem kühlen Bier. Er ließ sich Zeit, den Geschmack auszukosten, ehe er mit dem Zeigefinger an seine Lippen pochte. »Wäre die Evolution weitergegangen, hätten sie sie zweifellos verloren.«
Trotz ihrer sonderbaren Züge und der merkwürdigen Anatomie haftete der Allmächtigen die übliche Pracht an, die allen Himmelsbewohnern eigen zu sein schien. Jede der vier intelligenten Spezies, denen sie bisher begegnet waren, hatte ihre diversen Götter ihrem eigenen Bild und dem einiger anderer Lebewesen entsprechend dargestellt, ebenso wie es ihre eigene Spezies tat. Auf Pinnacle, wo das physische Erscheinungsbild der ursprünglichen Bewohner lange im Dunkeln geblieben war, war es überaus kompliziert gewesen herauszufinden, welche der Darstellungen der dominanten Spezies entsprach. Dennoch war jeder imstande gewesen, die Würde göttlicher Macht zu erfassen.
Hutch konnte sich der Erkenntnis nicht verschließen, dass die eher tiefgründigen Werte und Stimmungsbilder sich offenbar in Stein gehauen von einer Kultur zur anderen übersetzen ließen. Selbst dann, wenn die Darstellungen vollkommen fremdartig waren.
Sie traten näher an den Altar heran. Dort waren noch etliche andere in Stein gemeißelte Figuren erkennbar, von denen einige Tiere darstellten. Trotzdem konnte Hutch erkennen, dass die Kreaturen mythischer Natur waren, dass sie sich niemals auf einem terrestrischen Planeten hätten entwickeln können. Manche wiesen Flügel auf, die nicht geeignet waren, ihren Eigentümer zu tragen. Alle waren jedoch in einer Weise dargestellt, die ihre religiöse Bedeutung erahnen ließ. Eine hatte vage Ähnlichkeit mit einer Schildkröte, und Chernowski erklärte, dass sie ein
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