Hutch 06 - Hexenkessel
»Matt«, sagte er, »ich wollte Ihnen danken, dass Sie einverstanden waren, Julie in der Schule auszuhelfen. Sie hat mir erzählt, ihre Schüler würden es wirklich genießen, Ihnen zuzuhören.«
Matt war verblüfft. Nie zuvor hatte Julies Vater ein Wort über seine Bemühungen verloren. »Gern geschehen, Ari«, sagte er. »Mir macht das auch Freude.«
Claggett war ein großer Mann, hochgewachsen, übergewichtig und ausgestattet mit einer Stimme, die den Eindruck vermittelte, er wüsste stets genau, wovon er sprach. »Die Kinder kriegen nicht genug davon«, sagte er. »Schüler verbringen viel zu viel Zeit damit, Leuten wie mir zuzuhören, die ihnen irgendwelche Informationen vorbeten. Julie sagt, Sie würden weit mehr Leidenschaft zeigen.«
»Ich gehe einfach in das Klassenzimmer und sage, was ich denke«, gestand Matt. »Die meisten von Julies Schülern scheinen zu glauben, die Welt ende an der Raumstation.«
»Den Weltraum habe ich eigentlich gar nicht gemeint«, sagte er. »Mir geht es mehr um Bücher und Lesen. Julie sagt, die meisten ihrer Schüler – nicht alle, aber die meisten – hätten nie begriffen, warum es wichtig sei, Bücher zu lesen.« Er schien zu Hause zu sein, saß jedenfalls auf einem ledernen Diwan vor schweren, zugezogenen weißen Vorhängen. Matt sah Ari an, dass er noch etwas anderes auf dem Herzen hatte. »Manchmal frage ich mich, wo wir am Ende dieses Jahrhunderts stehen werden.«
Claggetts Interesse an Bildungsfragen war kein Geheimnis. Er hatte örtliche Politiker gedrängt, mehr Geld in Schulen zu investieren, und lange die Werbetrommel gerührt, um die Eltern zu mobilisieren. Man lebe oder sterbe mit den Eltern, hatte Julie ihn zitiert. Habe man die Eltern nicht auf seiner Seite, sei man hilflos. »Das wird schon werden«, meinte Matt. »Die Kinder brauchen nur etwas, das ihr Interesse weckt. Vielleicht könnte Orion ein paar von ihnen zu einem kostenlosen Rundflug einladen.« Ari gehörte dem Vorstand von Orion an.
Claggett setzte eine Miene auf, die andeutete, dass er den Vorschlag für erwägenswert hielt. »Wie wäre es, wenn Sie und Julie ein entsprechendes Ansinnen vortrügen? Ihr könntet euch ein Konzept zusammenbasteln und schriftlich einreichen. Wir können nicht die ganze Schule wegschicken, aber wir könnten darüber nachdenken, einige Plätze als Auszeichnung für besondere Leistungen freizuhalten.« Er nickte. Warum auch nicht? »Es sollte nicht allzu schwer sein, so ein Vorhaben dem Vorstand schmackhaft zu machen, immerhin wäre es eine gute PR für Orion.«
»Ja, das wäre es.«
»Was mich auf eine andere Sache bringt.« Aha, nun endlich würde also der Grund für den Anruf zur Sprache kommen. »Hören Sie, Matt, ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen. Falls Sie interessiert sind.«
»Bitte.«
»Wir stellen ein neues Werbeprogramm zusammen. Bei Orion. Wir möchten, dass in den Spots ein paar bekannte ehemalige Raumpiloten auftreten. Sie wissen schon, auf der Brücke stehen und erzählen, wie vergnüglich so eine Reise ist. Und wie lehrreich sie sein kann. Viel Geld gibt es dabei nicht zu verdienen, aber es würde Sie auch nicht viel Zeit kosten. Und ich dachte, das wäre etwas, was Ihnen vielleicht sogar Freude machen würde.«
Ohne recht zu wissen, warum, zögerte er. Ja, es würde ihm Freude machen. »Gern«, sagte er.
Ari stürmte gleich weiter. »Wir werden vielleicht fünf oder sechs Leute dafür engagieren. Sie sind unsere erste Wahl. Das ist meine Art, mich dafür zu bedanken, was Sie für Julie tun.«
Interessant. Nun also tat Ari ihm einen Gefallen. »Ich bin kein großer Schauspieler.«
»Wir brauchen keine Schauspieler«, entgegnete Ari. »Wir suchen Leute, die an das glauben, was sie sagen.«
An diesem Abend ging Matt mit Reyna essen. Irgendwann drehte sich ihr Gespräch um den Verlust der Jenkins. Und darum, wie knapp die Leute an Bord mit dem Leben davongekommen waren. »Weißt du«, sagte sie, »ich habe keine Ahnung, ob du das wirklich gern hörst, aber ich bin froh, dass du nicht mehr da draußen bist. Du kannst über den Immobilienhandel sagen, was du willst: Auf alle Fälle ist es ein sicherer Arbeitsplatz.«
AGENTURMELDUNGEN
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