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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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wurde. Er ließ ihn auf das blutbefleckte Laken sinken.
    Benommen richtete er sich auf. Er starrte auf die bleichen Gesichtszüge, aus denen alles Leben gewichen war. Wer war diese Frau? Doch sehr schnell kehrte alles zurück. Er war in einem Vorstadtbordell gelandet, sie war eine Landsmännin und hieß Natascha, und wenn er jetzt nicht sofort verschwand, würde er in große Schwierigkeiten geraten.
    Er warf einen letzten Blick auf Natascha, die er in die Bettdecke eingewickelt hatte, damit das Geschehene auf den ersten Blick nicht allzu offensichtlich war, dann öffnete er geräuschlos das Fenster und kletterte hinaus.
    Wenige Minuten später saß er in seinem Porsche »Cayenne« auf dem Weg zur französischen Grenze.

Acht
    Kurz nach Mittag wollten sie losfahren. Als alter und mächtiger Vampir war Stanislaw im Gegensatz zu jüngeren Angehörigen seiner Art in der Lage, sich auch tagsüber zu bewegen, solange er sich nicht direkter Sonnenstrahlung aussetzte, was jetzt, Anfang November, ohnehin kein Problem war. Die Wettervorhersage hatte für ihren Abreisetag einen verhangenen Himmel mit dichten Wolken angekündigt, und solche spätherbstlichen Tage begannen sich schon am frühen Nachmittag wieder zu verdunkeln.
    Joanna war froh, die Stadt hinter sich lassen zu können. Am Vortag hatte Tomas ihr die wichtigsten Sehenswürdigkeiten gezeigt, doch nach ein paar Stunden Besichtigung war sie wie ausgelaugt gewesen. Danach hatten sie geredet, über seine Professur in Klausenburg, über ihren Wunsch, in Madrid Medizin zu studieren, über das Leben an so unterschiedlichen Orten wie Marbella und Transsylvanien. Allzu Persönliches hatten sie vermieden, trotzdem war Nähe zwischen ihnen entstanden. Sie hatte seine Mobilnummer, und sie würde sich bei ihm melden, aber das hatte erst mal Zeit.
    Bis zur Abreise blieben ihr noch zwei Stunden. Nach einem ausgiebigen Frühstück in ihrem Zimmer duschte sie, machte sich ein wenig zurecht und packte ihre Sachen. Danach wollte sie unten im Hotelrestaurant einen Espressso trinken und auf Stanislaw und Igor warten.
    Zwischendurch schaltete sie den Fernseher ein und zappte auf der Suche nach internationalen Nachrichten in englischer Sprache durch die Sender. Das Gerät war so programmiert, dass es zunächst die rumänischen Sender anzeigte, und Joannas Finger wollten schon weiterklicken, als sie bei einem der Sender innehielten.
    Sie konnte kein Rumänisch, aber es ging wohl um ein Kulturprogramm. Neben Englisch war Spanisch ihre zweite Muttersprache, das wie das Rumänische lateinische Wurzeln hatte, und so kamen ihr manche Wörter vertraut vor. Wenn sie richtig verstand, stellte die Moderatorin einen Film vor, der demnächst in die Kinos kommen sollte, offenbar war es ein historischer Stoff.
    Doch sie achtete weniger auf das, was gesagt wurde, sie starrte nur den Gesprächspartner der Moderatorin an, unfähig, den Blick abzuwenden. Sie hatte ihn sofort erkannt, es war dieser Vadim, den sie vor einigen Tagen auf dem Filmplakat gesehen hatte. Die Moderatorin wirkte sehr bemüht und gab ihm immer neue Stichwörter, auf die er so gelassen antwortete, als interessiere ihn das alles nicht wirklich. Ohne es zu merken, war Joanna immer näher an den Bildschirm herangerückt.
    Auch die Fernsehkamera hatte ihn herangezoomt und zeichnete jedes Detail auf. Er trug einen Blazer aus schwarzem Wildleder und ein offenes weißes Hemd, dazu enganliegende Jeans, aus denen Cowboystiefel hervorschauten. Das dunkel glänzende Haar war an den Seiten zurückgekämmt und fiel ihm in weichen Wellen in den Nacken. Joanna schätzte ihn auf höchstens Ende dreißig, doch sein blasses Gesicht mit den hohen Wangenknochen war das eines Mannes, der intensiv gelebt hatte. Seine Körpersprache fiel ihr auf. Obwohl er hochgewachsen und schlank war, mit breiten Schultern und einem durchtrainierten Brustkorb, bewegte er sich nicht so, als fühle er sich in seinem Körper wirklich wohl. Er hatte die langen Beine ausgestreckt und unterstrich seine Antworten auf die Fragen der Moderatorin mit eher fahrigen Gesten. Insgesamt wirkte seine Haltung seltsam kraftlos.
    Als die Moderatorin ihn zum Schluss bat, die getönte Brille abzusetzen, zierte er sich einen Moment. Dann legte er aufreizend langsam die schlanken Finger an die Bügel des Brillengestells, zog sie nach vorn und ließ sie auf seinen Schoß sinken.
    Die Fernsehkamera hielt jetzt direkt auf sein Gesicht zu. In Vadims saphirblauen Augen schimmerte etwas, das

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