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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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Verheißung und Versprechen bedeuten konnte und zugleich alles oder nichts. Die Pupillen erschienen vergrößert, glaubte Joanna zu bemerken. Dann schwenkte die Kamera zurück zur Moderatorin, die Sendung war vorbei. Joanna schaltete den Fernseher aus. 
    Eilig zog sie sich an und fuhr nach unten. An der Rezeption bat sie darum, ihr Gepäck holen zu lassen.
    »Selbstverständlich«, sagte die junge Frau hinter dem Empfangstisch lächelnd. »Der Graf von Lugosy hat uns gestern schon Bescheid gegeben, dass Sie heute abreisen.«
    Joanna erwiderte das Lächeln. Lea stand auf dem Namensschild der Hotelangestellten. Sie war um die dreißig, und ihre äußere Erscheinung entsprach dem neuen Frauentyp des Landes: eher groß, schlank und trotzdem eindrucksvoll vollbusig, gekonnt zurechtgemacht mit einem Make-up, das nur einen Hauch übertrieben war, das Haar lang, glänzend und gelockt.
    »Sagen Sie, Lea, ich bräuchte eine Auskunft, vielleicht können Sie mir weiterhelfen.«
    »Natürlich, was kann ich für Sie tun?«
    Joanna beugte sich ein wenig vor. »Sagt Ihnen der Name Vadim etwas?«
    Die Augen der jungen Rumänin begannen zu leuchten. »Den kennt hier fast jedes Kind. Vadim ist der neue Star in unserer Filmbranche. Sein letzter Film hat beim Festival in Cannes einen wichtigen Preis gewonnen.«
    »Ach ja«, sagte Joanna rasch, »daher kam mir der Name wohl so bekannt vor. Vielen Dank.«
    Sie wollte sich umdrehen und in die Cafeteria verschwinden, doch Lea, die momentan anscheinend nichts anderes zu tun hatte, war jetzt in Plauderstimmung. »Haben Sie selbst etwas mit der Filmbranche zu tun?« Sie betrachtete Joanna eingehend.
    »Ich … äh, nein, nicht direkt. Wie kommen Sie darauf?«
    »Ach, nur so.« Sie verstummte, eine Gruppe von Neuankömmlingen kam durch die Drehtür und steuerte auf die Rezeption zu.
    »Nochmals danke«, sagte Joanna leichthin. »Ich würde gern meine Mails anschauen, wo gibt es hier einen Internetzugang?«
    »Dort drüben.« Lea deutete auf einen kleinen Raum am Ende der Hotelhalle. »Kommen Sie allein zurecht? Ich muss mich um die neuen Gäste kümmern.«
    »Kein Problem.« Joanna ging in die angezeigte Richtung. Der Raum mit dem Computer war besetzt, ein asiatisch aussehender Mann hockte dicht vor dem Bildschirm und starrte auf eine endlose Zahlenreihe. Diskret wandte sie sich ab, trat wieder in die Halle und sah sich nach einem Zeitungskiosk um. Nachdem sie sich Lektüre besorgt hatte, zu der auch ein Reiseführer über Transsylvanien in englischer Sprache gehörte, sank sie in einen der bequemen Sessel.
    Sobald der Mann den Raum verlassen hatte, setzte sich Joanna vor den Computer. Sie gab Vadims Namen ein, und die Suchmaschine explodierte fast vor Einträgen. Vadim, dessen voller Name Vadim Lupescu lautete, war vor fast vierzig Jahren in Siebenbürgen geboren worden, in der Universitätsstadt Klausenburg. Klausenburg? War das nicht auch der Ort, in dem Tomas als Geschichtsprofessor lehrte?
    Sie las weiter. Vadims Vater war unter dem Ceaus¸escu-Regime ein hochrangiger Politiker gewesen. Er hatte sich in die neue Zeit retten können und war geschäftlich sehr erfolgreich gewesen. Die Mutter, eine erfolgreiche Ärztin auf dem Gebiet der Geriatrie, entstammte ebenfalls jener Kaste, die durch Korruption ganz nach oben gekommen war, aber das war in dem Wikipedia-Artikel nur zwischen den Zeilen zu lesen.
    Der Sohn, Vadim, hatte von Anfang an nur ein Ziel gekannt: er wollte Schauspieler werden. Seine Eltern unterstützten diese Ambitionen, doch nach Abschluss seiner Schauspielausbildung musste er sich jahrelang mit mittelmäßigen Rollen zufriedengeben. Diese Zeit sei bitter für ihn gewesen, hieß es in einem der Interviews mit ihm, die man im Internet abrufen konnte, er habe aber immer gewusst, dass seine Zeit einmal kommen werde. Und sie kam, offensichtlich in mehr als einer Hinsicht.
    Joanna klickte weiter. Vadim hatte geheiratet. Auch seine Frau gehörte der Oberschicht des neuen Rumäniens an, in der Geld keine Rolle spielte. Der Wohlstand speiste sich aus obskuren Quellen, niemand fragte danach, offenbar auch Vadim nicht, der stets beteuert hatte, nichts anderes als Schauspieler sein zu wollen. Aus der Verbindung entstammten keine Kinder, die Ehe wurde bald wieder geschieden, als Vadims Affäre mit der Darstellerin einer rumänischen Soap-Opera bekannt geworden war. Inzwischen waren Vadims Eltern beide gestorben, und der Sohn hatte ein gewaltiges Vermögen geerbt.
    Joanna konnte ihre Augen

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